Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
erhält jeder am Ende des Versuchs als Entschädigung fünf Dollar, die man, wenn man will, gegen Schokolade eintauschen kann.
Es stellt sich heraus, dass Menschen bei einer kleinen Auswahl von Möglichkeiten nicht nur weniger zweifeln und beherzter zugreifen, sondern am Ende auch zufriedener mit ihrer Wahl sind: Diejenigen Testpersonen, ergibt das Experiment, die ihre Schokolade aus dem Angebot von sechs verschiedenen Sorten herausgepickt haben, bewerten ihre Schokolade von allen Teilnehmern am besten – besser als jene, die keine Wahl hatten, überraschenderweise aber auch besser als jene, die aus einem großzügigen Angebot von 30 unterschiedlichen Schokoladensorten wählen konnten.
Und diese größere Zufriedenheit äußert sich auch im Verhalten: Von den Teilnehmern, die aus sechs Sorten wählen durften, ist immerhin knapp die Hälfte von ihrer Kostprobe dermaßen begeistert, dass sie sich spontan dazu entschließt, ihren Fünf-Dollar-Lohn gegen Schokolade einzutauschen. Jene, die keine Wahl oder eine sehr große Auswahl hatten, haben dagegen genug von Schokolade, sie wollen einfach nur ihr Geld und schleunigst nach Hause. [9]
Das Regenbogenphänomen
Mehr Auswahl, weniger Zufriedenheit und weniger Kauflust – das klingt natürlich erst mal paradox. Eigentlich haben wir ja das Gefühl, dass es sich genau umgekehrt verhält, dass gerade eine spärliche Auswahl unserem Kaufrausch einen Strich durch die Rechnung macht. Wer gar keine Wahl hat, muss sich wohl oder übel mit dem zufriedengeben, was ihm vor die Nase gesetzt wird. Wir sind unserem Schicksal, in diesem Fall der Marmelade oder Schokolade, die uns aufgezwungen wird, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Können wir zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen, bekommen wir dagegen eine gewisse Kontrolle über unser Schicksal, genauer gesagt: Aus Schicksal wird eine freie Wahl. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass wir am Ende auch zufriedener mit der Alternative sind, die wir uns selbst ausgesucht haben, egal, ob es sich dabei um eine Marmelade, eine Karriere oder einen Lebenspartner handelt.
Nun haben wir – um die Argumentation logisch fortzusetzen – bei einigen wenigen Möglichkeiten zwar schon etwas, bei vielen Möglichkeiten jedoch noch mehr Freiheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter einem großen Angebot zumindest einige Exemplare (Schokoladen, Lebenspartner) befinden, die uns so richtig schmecken, ist entsprechend größer. Allgemein formuliert, dürften wir davon ausgehen können, dass unsere Zufriedenheit mit der Zahl der Angebote stetig zunimmt, und genau in dieser Annahme bietet mein Lieblingssupermarkt am Alexanderplatz auch nicht schnöde sechs, sondern 250 Marmeladen, Konfitüren und Gelees an. [10] Würde man diese Annahme grafisch darstellen, sie würde ungefähr so aussehen:
Je größer das Angebot, desto größer unser Kaufrausch, wobei man vernünftigerweise einschränken sollte, dass ab einer bestimmten Menge wohl eine gewisse Sättigung eintreten wird. Schließlich ergibt es einen größeren Unterschied, ob wir zwischen zwei und zwölf oder zwischen 240 und 250 Sorten wählen können. Die zunächst steil ansteigende Linie sollte sich deshalb irgendwann krümmen und allmählich flacher werden.
So weit die Theorie. Wirft man nun aber einen Blick auf Experimente wie den Marmeladenversuch, scheint das Verhältnis zwischen Angebotszahl und Zufriedenheit anders auszusehen, grafisch nimmt die gekrümmte Linie die Form eines umgekehrten U, einer Wurfparabel oder die eines klassischen Regenbogens an.
Man könnte meinen, dass das Hinzufügen immer weiterer Möglichkeiten irgendwann zwar keinen Mehrwert mehr bringt, uns allerdings auch nicht weiter stören sollte, da wir die überflüssigen Angebote ja getrost ignorieren können. Sonderbarerweise ist das nicht der Fall: Ab einer gewissen Vielfalt tritt offenbar nicht einfach nur wohlige Sättigung, sondern regelrechter Überdruss ein, wie sich seit dem Marmeladenversuch in mehreren Studien bestätigt hat.
In einer dieser Folgestudien baute man in einer Uni-Bibliothek einen Tisch auf, wo die Leute keine Konfitüren, sondern Kugelschreiber ausprobieren und zu einem sehr günstigen Preis kaufen konnten. Wie üblich variierte man die Größe des Angebots, und zwar diesmal systematisch, angefangen mit nur zwei Kugelschreiber-Modellen, hin zu vier, sechs, acht Modellen, und so ging das weiter in Zweierschritten bis zu 20 verschiedenen Kugelschreibern. Ergebnis:
Weitere Kostenlose Bücher