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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Titel: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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darüber nachdachte, desto schwerer fiel es ihm, sich Elsa als Erpresserin vorzustellen. So viel Raffinesse traute er ihr nicht zu. Wenn sie etwas gegen Helen in der Hand hätte, würde sie zwar bestimmt nicht zögern, davon Gebrauch zu machen, um ihrer Schwester zu schaden, aber Ray bezweifelte, dass sie für ein derartiges Katz-und-Maus-Spiel die nötige Intelligenz und Geduld besaß.
    »Ray? Hey! Du bist doch Ray Bronson, oder?«, riss ihn plötzlich eine Stimme hinter ihm aus den Gedanken. Er drehte sich um und starrte einen Moment lang ratlos den dunkelhaarigen, breit gebauten jungen Mann an, der ihn beim Namen gerufen hatte.
    Auf einmal fiel ihm wieder ein, woher er ihn kannte.
    »Oh, hi. Bud, richtig?«
    »Genau. Bin mir bei dir aber zuerst auch nicht ganz sicher gewesen. Ich habe zufällig gesehen, wie du aus dem Krankenhaus gekommen bist. Hast du jemanden besucht?«
    »Einen Freund«, antwortete Ray. »Barry Cox. Julie hat dir vielleicht schon mal was von ihm erzählt.«
    »Der Typ, der auf dem Campus angeschossen wurde?« Bud nickte. »Krasse Sache. Wie geht es ihm? Darf er überhaupt schon Besuch bekommen?«
    »Eigentlich nicht, nein, aber ich habe mich trotzdem zu ihm reingeschlichen. Es geht ihm ganz okay, jedenfalls den Umständen entsprechend.«
    Ray musste schlucken und wandte den Blick ab. Es hatte ihn zutiefst erschüttert, den muskelbepackten Hünen Barry so hilflos im Krankenhausbett liegen zu sehen. Ray war erst einmal in seinem Leben in einem Krankenhaus gewesen, als er seine Mutter nach einer Blinddarmoperation besucht hatte. Aber damals war das etwas ganz anderes gewesen. Die OP war gut verlaufen, und alle hatten gewusst, dass sie in ein paar Tagen vollständig genesen nach Hause zurückkehren und das Leben wieder in vollen Zügen genießen konnte.
    Für Barry gab es in dieser Hinsicht keine Garantie.
    »Die Ärzte können eine Lähmung noch nicht vollständig ausschließen … aber noch besteht die Hoffnung, dass es ein vorübergehender Zustand ist«, hatte Mr Cox gestern am Telefon gesagt.
    Irrtum, dachte Ray, er weiß es. Er hatte es in Barrys Augen lesen können und in seiner Stimme die Angst gehört, auch wenn er versucht hatte, sie mit ironischen Kommentaren zu überspielen.
    »Ich hasse Krankenhäuser«, sagte Bud, als hätte er seine Gedanken gelesen, dann nickte er in Richtung des Starbucks an der Ecke. »Ich wollte gerade einen Kaffee trinken gehen, hast du vielleicht Lust mitzukommen?«
    Ray zögerte. Einerseits wäre er nach dem aufwühlenden Besuch bei Barry lieber ein bisschen allein gewesen, andererseits war er neugierig auf den Typen, der anscheinend seinen Platz in Julies Leben eingenommen hatte. Sie hatte zwar behauptet, nicht in ihn verliebt zu sein, aber ganz so gleichgültig konnte er ihr nicht sein, sonst würde sie sich nicht so regelmäßig mit ihm treffen.
    »Warum nicht«, stimmte er schließlich zu. »Kaffee wäre jetzt genau das Richtige.«
    Es war nicht viel los bei Starbucks, als sie dort ankamen. Ray bestellte sich einen Latte Macchiatto, Bud einen Cappuccino und ein Croissant, dann setzten sie sich an einen der Tische. Während sie auf ihre Getränke warteten, musterte Ray sein Gegenüber verstohlen. Was findet Julie an ihm?, fragte er sich. Ist er das Erste, woran sie denkt, wenn sie morgens aufwacht? Träumt sie von ihm?
    Bud war vielleicht nicht unbedingt attraktiv, aber er strahlte auf eine unaufdringliche Art Selbstbewusstsein aus, und Ray konnte sich durchaus vorstellen, dass jemand wie Julie sich davon angezogen fühlte. Sein akkurater Haarschnitt und das dunkle Jackett, das er zur Jeans trug, unterstrichen die Tatsache, dass er ein paar Jahre älter war. Er hatte einen markanten Kiefer und den entschlossenen Blick eines Mannes, der es gewohnt war, sich Ziele zu setzen und sie konsequent zu verfolgen.
    Und wenn er sich ein Mädchen in den Kopf gesetzt hat, dachte Ray, wird er nicht eher aufgeben, als bis er es erobert hat. Diese Erkenntnis hatte irgendwie etwas Beunruhigendes.
    »Willst du zu deinem Kaffee nichts essen?«, fragte Bud.
    Ray schüttelte den Kopf. »Der Besuch im Krankenhaus hat mich ziemlich fertiggemacht. Barry ist auf der Highschool mein bester Freund gewesen. Mittlerweile stehen wir uns nicht mehr so nahe, aber trotzdem … als ich ihn vorhin so hilflos da liegen gesehen habe …«
    »Kann ich gut nachvollziehen«, meinte Bud. »Wie gesagt, ich kann Krankenhäuser nicht ausstehen. Allein schon von dem Geruch bekomme ich

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