Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
gut, die Worte laut zu hören, und auf einmal wurde ihr klar, dass sie Angst gehabt hatte. Die Angst war zwar nicht groß genug gewesen, um tatsächlich den Pakt zu brechen, aber sie hatte doch spürbar auf ihr gelastet. Gott sei Dank, es ist vorbei, sagte sie sich noch einmal stumm, als sie die Galerie entlangging und die Stufen zum Pool hinunterstieg.
Collie stand neben einer der Liegen, wo ihn die hübschere der beiden Lehrerinnen aus Apartment 213 in ein Gespräch verwickelt hatte. Collie hörte höflich zu, während sie ihm irgendetwas erzählte, aber sein Blick wanderte sofort zu Helen, als sie auf der Treppe erschien, und er ließ sie nicht aus den Augen, bis sie bei ihnen war.
»Da bist du ja wieder«, sagte er. »Wichtiger Anruf?«
»Ein Freund von Barry. Er hat es geschafft, ihn im Krankenhaus zu besuchen, indem er sich an den Schwestern vorbei in sein Zimmer geschmuggelt hat.«
»Und? Wie geht’s dem armen Kerl?«, erkundigte sich die Lehrerin und bedachte Collie mit einem gespielt unschuldigen Blick. »Barry Cox ist Helens fester Freund, musst du wissen. Ein echt heißer Typ. Kein Wunder, dass sie für niemanden sonst Augen hat, ist doch so, Helen, oder?«
»Vollkommen richtig«, entgegnete Helen lächelnd. »Und es geht ihm schon viel besser, danke.«
»Das sind ja gute Neuigkeiten«, sagte Collie, der plötzlich leicht gereizt wirkte. »Los, Helen! Wer zuerst am anderen Beckenrand ist.«
Er sprang kopfüber in den Pool, und Helen beobachtete etwas erstaunt, wie er mit langen, kräftigen Zügen durchs Wasser pflügte, als müsse er sich abreagieren.
Die Lehrerin stand von ihrer Liege auf und stellte sich neben Helen.
»Du bist echt unersättlich, weißt du das?«, säuselte sie mit einem leisen Lachen, das die Gehässigkeit in ihrer Stimme nicht überspielen konnte.
Helen warf ihr einen überraschten Blick zu. »Wovon redest du?«
»Wie viele Typen brauchst du eigentlich? Einen für jeden Wochentag?« Die junge Frau nickte in Collies Richtung, der schon fast am anderen Ende des Pools angelangt war. »Du hast doch schon deinen heißgeliebten Barry. Lass für uns anderen auch noch was übrig!«
»Aber Collie ist wirklich nur ein Freund«, wehrte Helen ab.
»Weiß er das denn?«
»Natürlich! Er hat mich an dem Abend, als Barry angeschossen wurde, sogar ins Krankenhaus gefahren. Er weiß ganz genau, dass ich vergeben bin.«
»Kann ja sein, dass er das weiß«, entgegnete die Lehrerin schnippisch. »Aber seit dem Tag, an dem er hier eingezogen ist, hat er nur Augen für dich. Wir anderen haben es bis jetzt noch nicht einmal geschafft, ihn in eine richtige Unterhaltung zu verwickeln. Er bleibt zwar immer höflich, aber man merkt, dass er mit den Gedanken ganz woanders ist. Wenn du es genau wissen willst«, sie lachte mit unverhohlener Genugtuung, »dann hat Barry sich mehr für mich interessiert als der Typ da.«
»Barry ist zu allen nett«, entgegnete Helen kühl, drehte ihr den Rücken zu und sprang in den Pool.
Das kalte Wasser raubte ihr kurz den Atem, dann begann sie, zügig zu schwimmen, um ihre Wut abzulassen. Als sie sich wieder etwas beruhigt hatte und sich umdrehte, sah sie, dass die Lehrerin zu ihrer Liege zurückgekehrt war.
Eifersüchtige Zicke, dachte Helen kopfschüttelnd. Sie hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden, dass sie unter ihren Nachbarinnen im Four Seasons keine Freundinnen finden würde. Wirklich traurig war sie darüber aber nicht, sie kannte es eigentlich nicht anders. Sie war schon immer besser mit Jungs ausgekommen, und selbst auf der Highschool war Julie das einzige Mädchen gewesen, mit dem sie so etwas wie eine Freundschaft gehabt hatte. Wobei diese Freundschaft hauptsächlich darauf gegründet gewesen war, dass Barry und Ray zu der Zeit beste Kumpels gewesen waren und sie viel zu viert unternommen hatten.
Sie erinnerte sich noch gut an den Nachmittag, an dem sie Julie nach der Schule zu sich nach Hause eingeladen hatte, um ihr voller Stolz ihr neues Ballkleid zu präsentieren, und rechnete es ihr heute noch hoch an, dass sie so cool reagiert hatte, als Elsa sie gehässig darauf hingewiesen hatte, dass das Kleid aus einem Secondhandladen stammte. Bestimmt hatte sie gehofft, dass Julie es in der Schule weitertratschte, aber soweit sie wusste, hatte sie kein Wort darüber verloren, sonst wäre das für ihre Mitschülerinnen damals natürlich das gefundene Fressen gewesen – »Habt ihr schon gehört, wo Helen Rivers ihre Klamotten herhat?«
Aber um
Weitere Kostenlose Bücher