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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Titel: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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schwachen, aber unverkennbaren süßen Duft der ersten Hyazinthen und das leise Zirpen einer frühen Grille mit sich trug.
    Alles ist gut, dachte Mrs James, als sie auf dem Sofa Platz nahm und ihren Kaffee vor sich auf dem Couchtischchen abstellte. Es ist ein traumhafter Abend, in der Schule ist heute alles bestens gelaufen, Julie hat einen Studienplatz am Smith College – eigentlich müsste ich glücklich und zufrieden sein. Warum verspüre ich dann nur diese seltsame Unruhe in mir?
    Weil sie wusste, dass irgendetwas geschehen würde. Das eigenartige Prickeln in ihrem Nacken war wie ein Vorbote dafür.
    Irgendetwas wird passieren, dachte sie. Ich weiß nicht, was es ist oder woher ich es weiß, aber es liegt etwas in der Luft – ein drohendes Unheil. Und es gibt nichts, das ich tun kann, um es zu verhindern.
    Diese Vorahnungen begleiteten sie schon ihr gesamtes Erwachsenenleben hindurch. Es hatte an einem ganz nor malen Vormittag angefangen, als Julie ungefähr acht gew esen war. Der Garten war in goldenes Sonnenlicht getaucht gewesen und in der Ulme hatten die Vögel gezwitschert. Mrs James hatte auf dem Rasen gekniet und die Rosen zurückgeschnitten, als sich plötzlich ihr ganzer Körper versteifte und sie gewusst hatte, dass irgendetwas nicht stimmte.
    Sie hatte angefangen zu grübeln, ob sie vielleicht vergessen hatte, den Herd auszuschalten oder irgendeinen wichtigen Termin verschwitzt hatte, und war schließlich ins Haus zurückgekehrt, um dort nach dem Rechten zu sehen. Aber sie hatte weder den Herd angelassen noch einen Termin versäumt, wie sie sich mit einem Blick auf den Kalender versicherte, also war sie in den Garten zurückgegangen und hatte über sich selbst den Kopf geschüttelt. Kurz darauf hatte das Telefon geklingelt. Es war die Schulsekretärin gewesen, die ihr mitteilte, dass Julie in der Pause gestürzt sei und sich den Arm gebrochen hätte.
    Ein Jahr später hatte sie wieder so eine seltsame Vorahnung gehabt, dieses Mal war das Gefühl sogar so stark gewesen, dass es ihr fast körperliche Schmerzen bereitet hatte.
    Als wenig später ein Streifenwagen in der Einfahrt hielt, war sie nicht wirklich überrascht gewesen. Sie war an die Tür gegangen und hatte den beiden uniformierten Beamten entgegengeblickt, die mit eiligen Schritten auf die Veranda traten.
    »Mrs James?«, hatte einer von ihnen gesagt und sie voller Mitgefühl angesehen. »Wir haben eine traurige Nachricht für Sie, Mrs James. Es gab einen Unfall. Das Auto Ihres Mannes …«
    »Ja«, hatte Mrs James ihn tonlos unterbrochen. »Ja, ich weiß.« Dann hatte sie ihre Tasche geholt. Die erstaunten Mienen der Polizisten hatte sie gar nicht wahrgenommen.
    Seit dem Tod ihres Mannes hatte sie immer wieder Vorahnungen gehabt, auch wenn sie nie mehr so intensiv gewesen waren wie damals. Aber bisher war noch fast jedes Mal etwas geschehen.
    Einmal hatte zum Beispiel ein Kurzschluss einen Kabelbrand in der Küche ausgelöst. Sie war damals gerade auf einer Schulkonferenz gewesen und hatte Julie, die bei einer Freundin war, angerufen, um sie zu bitten, schnell nach Hause zu laufen und nachzusehen, ob alles in Ordnung war – sie hätte mal wieder eine ihrer Vorahnungen.
    Julie hatte gerade noch rechtzeitig die Feuerwehr verständigen können, sodass der Schaden minimal geblieben war.
    Das ungute Gefühl hatte sich allerdings nicht immer bewahrheitet. Letzten Sommer hatte es beispielsweise eine Phase gegeben, da war sie sicher gewesen, dass sich irgendein schreckliches Unheil ankündigte. Julie hatte damals fast ihre gesamte freie Zeit mit Ray verbracht, und Mrs James hatte eine Weile geglaubt, ihr ungutes Gefühl hätte vielleicht etwas damit zu tun, dass die beiden sich in ihrer Verliebtheit womöglich zu irgendwelchen unvernünftigen Entscheidungen hinreißen lassen könnten. Sie mochte Ray zwar sehr, fand ihn aber auch noch ziemlich unreif, und ihr lag viel daran, dass Julie einen guten Highschool-Abschluss machte und danach hoffentlich studierte. Wie jede Mutter wollte sie auf keinen Fall, dass ihre Tochter zu früh schwanger wurde oder zu jung heiratete.
    In diesem Fall war die Sorge allerdings unbegründet gewesen. Dabei war sie an einem ganz bestimmten Abend vor fast einem Jahr fest davon überzeugt gewesen, dass etwas Furchtbares passieren würde. Sie hatte nicht einschlafen können und voller Sorge auf Julie gewartet, die sich mit Freunden in den Bergen zum Grillen getroffen hatte. Sie erinnerte sich noch genau daran, dass sie sich

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