Ich werde immer da sein, wo du auch bist
Jahr.
Es klingelt. Ich stehe auf und greife nach meinem Rucksack. Ich gehe zur ersten Stunde und setze mich neben Ingrid.
Melanie springt auf, und mein Traum zersplittert. Sie kreischt: »Ich brauch jetzt unbedingt eine Zigarette!«
Ich habe keine Ahnung, was damals zwischen uns in der Mall gelaufen ist, weil ich jetzt nichts fühle.
»Bis später«, murmele ich, nehme meinen Rucksack und schaffe es durch das Loch im Zaun, ohne irgendwo hängen zu bleiben. Es ist kein großer Sieg, aber es fühlt sich wie einer an.
3
Als ich in den Englischraum komme, ist Dylan noch nicht da. Ich setze mich an meinen üblichen Platz, hole die Anthologie heraus und zwinge mich dazu, nicht aufzublicken, als die anderen den Raum betreten. Sie gehen an mir vorbei, und ich sehe immer noch nach unten. Dann höre ich Schritte, und ich weiß, es sind ihre. Sie bleibt neben meinem Tisch stehen, wahrscheinlich wartet sie darauf, dass ich hochschaue. Als ich mich nicht bewege, setzt sie sich wie sonst hinter mich.
»Hey«, sagt sie. »Wo warst du?«
Sie hört sich nicht wütend an, und mir wird klar, dass es noch nicht zu spät ist. Ich könnte mir eine gute Ausrede ausdenken oder sagen, dass es mir leidtut.
Aber ich starre konzentriert auf die Buchseite. Ich weiß nicht mal, was ich da anschaue. Irgendein Gedicht. Meine Augen sind so müde, dass sie die Wörter nicht begreifen.
»Ich habe ein paar Leute getroffen.« Mit diesem Satz habe ich mich ins Aus gekegelt.
»Wen?« Dylan klingt gekränkt.
»Halt ein paar Leute.«
Sie sagt nichts. Ich weiß, ich sollte mich umdrehen und sie ansehen, aber ich tu es nicht.
Schließlich knurrt sie: »Egal.«
Ihr Stuhl knirscht, als sie sich heftig zurücklehnt.
Dann kommt MrRobertson rein, und die Stunde fängt an. Während der ganzen Unterrichtsstunde schwingt Dylan den Fuß vor und zurück und bummst mit dem Stiefel gegen ein Tischbein, und ich zucke jedes Mal zusammen, wenn sie dagegenstößt.
Die Stunde vergeht quälend langsam. Sobald es klingelt, schnappt sich Dylan ihre Sachen und stürmt, ohne sich umzusehen, aus dem Raum. Ich trödele auf dem Weg zum Spind, und als ich dort ankomme, ist Dylan weg.
4
Die Vista Highschool hat massenhaft Geld, viel mehr, als sie je ausgeben kann. Weil alle Eltern in Los Cerros reich sind, schreiben sie dauernd Schecks für die Schule, um Musik- oder Tanzaufführungen zu sponsern oder die Europareisen der schlauen Schüler, die dann tagsüber Museen besuchen und nachts tanzen gehen und sich besaufen. Einerseits ist es ganz nett, dass wir eigentlich alles haben, was wir uns wünschen, aber andererseits ist es mir auch irgendwie unangenehm. Daveys Verlobte Amanda unterrichtet an einer Schule in San Francisco, und da sind die Schulbücher so alt, dass sie schon auseinanderfallen.
Manchmal habe ich richtige Schuldgefühle wegen all dem Kram, den wir haben – unsere funkelnagelneuen Schulbücher, das Hallenbad, der unerschöpfliche Vorrat an Fotopapier und Filmen. Aber momentan freue ich mich darüber, weil ich mich in einer nagelneuen Toilette verstecken kann, die offensichtlich noch niemand entdeckt hat.
Ich sitze in einer unglaublich sauberen Kabine. Die Mittagspause ist halb vorbei, und ich habe ein paar Seiten von meinem Baumhaus-Buch gelesen. Da steht, dass ich Schlüsselschrauben brauchen werde, weil Nägel und einfache Schrauben nicht stark genug sind.
Auf einer Heftseite habe ich eine Skizze angefertigt. Sie zeigt den Baum von oben. Der Stamm ist in der Mitte, und ringsherum verläuft eine Plattform – ein Sechseck. Ich weiß noch nicht genau, wie lang und breit die Seitenkanten sein werden, aber ich möchte viel Platz haben. Ich will keins dieser Baumhäuser, in denen man sich bücken und auf den Knien herumrutschen muss. Ich möchte aufrecht von einer Wand zur anderen gehen können, in einer Ecke soll ein Sessel stehen und an einer Wand ein Tisch mit zwei Stühlen. Ich wünsche mir viele Öffnungen, damit Licht und Luft reinkommen können. Ich muss mir aber noch was ausdenken, wie man diese Öffnungen bei Regen verschließen kann.
Als es klingelt, nehme ich mir vor, morgen wieder hierherzukommen und übermorgen und überübermorgen auch. Ich rede mir ein, dass alles gar nicht so schlimm ist.
5
Taylor und ich sitzen auf dem Fußballplatz und wälzen eines der Bücher über berühmte Mathematiker, die er in der Bibliothek ausgeliehen hat.
»Der Typ hier sieht irgendwie cool aus«, sagt er. »Er war besessen von Uhren.«
Ich versuche,
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