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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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darf ich den Führerschein wahrscheinlich nie machen. Aber ich kann nicht anders. Ich tue etwas, das ich tun will, und es geht mir gut dabei. Ich justiere den Rückspiegel und sehe Marjories VW -Bus zwischen den glänzenden Limousinen, wie sie die Schüler der Vista High üblicherweise zu ihrem sechzehnten Geburtstag kriegen: nagelneue Accords und Passats und Maximas.
    Ich lege den Rückwärtsgang ein.
    »Pass beim Schalten auf. Manchmal bleibt er hängen.«
    Ich fahre vorsichtig vom Parkplatz bis zur Hauptstraße. Die Ampel ist rot, ich achte auf den Gegenverkehr und biege dann rechts ab. Eigentlich sollte Taylor nervös sein, weil ich am Steuer sitze, aber er lehnt sich zurück und grinst mich an.
    »Mein Auto steht dir gut.«
    Wir fahren an der Mall und an sehr vielen Autos vorbei. Ich blicke kurz zu Taylor hinüber und sehe, dass er mich immer noch anschaut. Ich bin so daran gewöhnt, immer auf dem Rücksitz zu sitzen, dass ich ganz vergessen habe, wie gern ich früher Auto gefahren bin, wie toll ich es fand, dass es mich woanders hinbringt. Ich habe vergessen, dass ich eines Abends nach einer Übungsstunde Ingrid angerufen habe.
Diesen Sommer fahre ich uns überallhin. Wo möchtest du hin? Sag es, und ich bring dich an jeden Ort, den du dir wünschst.
    Wieder eine Ampel, und ein Hip-Hop-dröhnendes Auto hält neben uns.
    Ein Mädchen ruft: »Taylor!«
    Alicia McIntosh lehnt sich aus ihrem Mustang-Cabrio.
    Taylor schaut mich an und verdreht die Augen. Die Ampel schaltet auf Grün, und er flüstert: »Los!«
    Ich trete aufs Gaspedal, und Alicias Auto wird im Rückspiegel immer kleiner.

6
    Noch eine Stunde bis zum Abendessen. In mir toben zu viele Gefühle, um im Haus zu bleiben, deshalb geh ich raus zu meinem Auto, aber darin ist es mir zu eng. Meine Brust und mein Bauch sind voller Schuldgefühle wegen dem, was ich Dylan antue, in meinen Händen und Füßen kribbelt es bei der Erinnerung, wie Taylor an mich herangerückt ist. Trotzdem fühle ich am ganzen Körper und tief innen drin den Schmerz wegen Ingrid. Selbst wenn ich mit voller Lungenkraft schreien würde, wäre das Geschrei nur halb so laut, wie es sein müsste.
    Eine Stunde ist nicht lang, aber sie reicht, um irgendwas zu tun. Deshalb renne ich durch den Garten, den Abhang runter bis zur Eiche und zu meinem Holzhaufen, dem Werkzeugkasten und den Schlüsselschrauben, die ich gekauft habe. Im Baumhaus-Buch steht, dass Eichen wegen ihrer weit ausladenden Äste perfekt für Baumhäuser sind. Ich will die Plattform in ungefähr drei Meter Höhe bauen.
    Zuerst muss ich mir eine Leiter machen.
    Ich stemme ein langes Brett hoch und lehne es gegen den Baum. Ich suche mir eine Handvoll sehr lange Nägel zusammen und schlage sie im Abstand von ungefähr 20  cm durch das Brett in den Stamm. Der Hammer liegt schwer und stabil in meiner Hand. Während ich arbeite, verliere ich mich in Erinnerungen an Ingrid.
     
    Im Sommer nach der neunten Klasse, trafen Ingrid und ich zwei Jungs, die zu einer Highschool in der Nachbarstadt gingen. Es war heiß, und wir langweilten uns. Also spazierten wir durch die Straßen bis zu einem Park, den die beiden kannten. Wir krochen durch die Sträucher und über Felsen bis zu einem Bach.
    Wir ließen unsere Füße ins Wasser hängen und hörten den Jungs zu, die sich über alles und nichts unterhielten, und wir lachten, wenn sie Witze machten. Dann drehte sich der Größere der beiden quasi mitten im Gespräch zu Ingrid um und küsste sie, und der andere presste wie auf ein Stichwort seinen Mund auf meinen. Ich zuckte zurück – so hatten wir das nicht geplant – und war mir sicher, dass Ingrid das genauso machen würde.
    Doch sie wehrte sich nicht.
    Der Typ legte seine Hand auf mein Bein, aber auch das war mir zu viel, und ich stand auf und watete in den Bach. Er knurrte irgendwas zu seinem Freund und ging. Ich schaute ins Wasser und dann dorthin, wo die Hand eines Fremden langsam das T-Shirt meiner besten Freundin hochschob.
    Hinterher sagte sie:
Mein Gott, Caitlin. Wir haben uns doch bloß geküsst.
Das stimmte, aber ich musste dauernd an ihre Gefühle für Jayson denken und dass das hier ganz anders gewesen war, viel popeliger.
     
    Als ich das Brett, so hoch wie ich reichen kann, angenagelt habe, stelle ich ein zweites mit ungefähr dreißig Zentimeter Abstand zum ersten an den Stamm und nagele es auch an den Baum. Danach säge ich ein drittes Brett in dreißig Zentimeter lange Stücke und befestige eines quer auf den beiden

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