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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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ihm aufmerksam zuzuhören, aber dann fällt mir zum Beispiel auf, wie hell seine Wimpernspitzen sind. Ich muss mich zusammenreißen, um sie nicht zu berühren.
    »He, Wahnsinn! Der hier ist wegen Betrug in den Knast gekommen!«
    Ich nehme mir ebenfalls ein Buch, und unsere Knie berühren sich kurz. Er geht nicht auf Abstand, er scheint es nicht mal bemerkt zu haben. Ich fühle, wie ich langsam rot werde. Ich schlage das Buch auf und versuche mich zu konzentrieren. Aber ich muss dauernd darüber nachdenken, ob Taylor weiß, dass unsere Knie sich berührt haben.
    Taylor und ich haben uns darauf geeinigt, dass es uns nicht um einen Mathematiker geht, der irgendwas Bahnbrechendes entdeckt hat – wir suchen nach einem Mathematiker mit spannendem Lebenslauf.
    Ich sehe runter auf die paar Millimeter Abstand zwischen Taylors Knie und meinem und fange an zu lesen.
    Die Bücher sind voller langweiliger Fakten, zum Beispiel wo welche Mathematiker geboren wurden und wen sie heirateten und welche mathematischen Gesetze sie sich ausgedacht haben und nach sich selbst benannten. Dann erregt ein Wort meine Aufmerksamkeit: Pirat.
    »He, sieh mal«, sage ich, und Taylor schiebt sein Knie wieder gegen meins und beugt sich näher rüber, bis wir uns an ganz vielen Stellen berühren, sein Gesicht ist meinem so nah, dass ich seinen Atem spüre, und er liest das, was ich ihm zeige. Ich merke, dass er sich konzentriert, aber mir ist das bei dieser Nähe unmöglich, deshalb schaue ich schnell woanders hin.
    Dylan geht mit Marjorie Klein zum Parkplatz.
    An unserer Schule gibt es drei Sorten von Außenseitern: die doofen Streber, dann die, bei deren Anblick alle denken:
Kommt mir irgendwie bekannt vor
, und dann noch die, die nur deshalb Außenseiter sind, weil sie einfach anders sind als alle anderen. Marjorie gehört zur dritten Sorte, zur besten. Zwischen Ingrid und Marjorie stand es immer unentschieden, wer von ihnen die Kreativste der Schule war.
    Dylan und ich haben seit zwei Wochen nicht mehr miteinander geredet. Mittlerweile hat sie sich in Englisch weggesetzt, und wenn wir uns an unseren Spinden begegnen, übersieht sie mich. Jetzt fuchteln sie und Marjorie wild mit den Armen herum, als würden sie sich wahnsinnig toll unterhalten, und mir ist, als würde ich den Boden unter den Füßen verlieren. Dylan sagt etwas, und Marjorie lacht, und ich wüsste gern, welchen tollen Witz sie gemacht hat, und plötzlich ist mir aller Spaß an dem Zusammensein mit Taylor verdorben. Ich kann nur noch an Dylans Tritte gegen ihren Tisch denken und wie sie aus der Klasse ging, ohne mich anzusehen.
    »Der Kerl sieht ja super aus«, sagt Taylor. »Den sollten wir unbedingt nehmen.«
    Ich blicke auf die Seite.
Jacques DeSoir.
    »Mann, das ist cool«, sagt Taylor. »Ein französischer Pirat und Mathematiker.«
    Dylan und Marjorie entfernen sich immer weiter.
    »Ich muss los«, sage ich.
    »Schon?«
    »Meine Eltern warten auf mich«, sage ich, aber eigentlich will ich nur dieses Bild von Dylan und Marjorie aus meinem Kopf kriegen.
    »Soll ich dich fahren?«
    »Okay. Danke.«
    Wir laufen zum Parkplatz, weit vor uns gehen Dylan und Marjorie. Doch dann verschwinden sie zwischen den Autoreihen.
    »Wir sollten uns eine Karte besorgen«, sagt Taylor, »und darauf dem Leben von diesem Jacques DeSoir folgen.«
    Ich nicke und versuche, zwischen all den Wagen Marjories Auto auszumachen. Ich stelle mir beide in der Nudelbar vor, wie Marjorie sich das exotischste Gericht bestellt, und komme mir austauschbar vor.
    Taylor und ich bleiben vor seinem uralten, gelben Datsun stehen. »Da!« Taylor wirft mir die Autoschlüssel zu.
    Ich fange sie auf.
    »Macht dir doch nichts aus zu fahren?«, fragt er.
    »Warum?«
    Er grinst und zuckt die Achseln. »Schließ auf.«
    Ich schließe die Fahrertür auf, setze mich auf den verschlissenen Sitz und öffne die Beifahrertür. Taylor steigt ein. Im Auto ist es warm, und es riecht nach Schokolade. Wir sitzen da und sehen uns eine Minute lang an.
    »Ich hab keinen Führerschein.«
    »Aber du kannst doch fahren?«
    »Ja.«
    »Du wohnst ja nicht weit weg, das geht in Ordnung.«
    »Na ja, wenn
du
das in Ordnung findest …« Ich stecke den Schlüssel ins Zündschloss, und der Motor spotzt, das Auto ruckelt und wird lebendig. Taylor beugt sich vor und legt eine Wange auf das Armaturenbrett.
    »Brav, Datsun«, sagt er.
    Ich lache ihn an und löse die Handbremse. Was mache ich hier eigentlich, verdammt nochmal? Wenn wir angehalten werden,

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