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Ich werde schweigen Kommissar Morry

Ich werde schweigen Kommissar Morry

Titel: Ich werde schweigen Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Fremder . . .
    Er stellte sich in den Schutz einer dichten Hecke und beobachtete das Haus. Es kümmerte ihn nicht, daß der Wind eisig durch seinen Mantel fuhr. Es störte ihn auch nicht, als er leise Schritte in der Nähe hörte. Ab und zu sah er einen flüchtigen Schatten durch die Nachbargärten huschen.
    Sie haben mich verfolgt, sinnierte er weiter. Dieser Kommissar hält sein Wort. Er läßt mich keine Sekunde mehr allein. Nach einer halben Stunde ungeduldigen Wartens gab es endlich einen Lichtblick für Richard Donally. Er sah, daß sich das Hausportal öffnete. Er hörte das dünne Kläffen eines Hundes, der erfreut war, seine letzte Abendrunde machen zu dürfen. Er wurde von einer jungen Dame an der Leine geführt. Es war Sonja Garden, die da langsam auf das Gartentor zukam.
    „Guten Abend“, sagte Richard Donally erfreut und lüftete seinen Hut. „Wie nett, Sie einmal wieder zu sehen.“
    Im ersten Moment zuckte Sonja Garden ängstlich zusammen. Dann aber erkannte sie ihn wieder. Sie kam zutraulich näher.
    „Sie sind der Bruder Irving Bacons, nicht wahr?“ sagte sie mit ihrer klangvollen Stimme.
    „Ja, das bin ich“, stotterte Richard Donally. Er war auf einmal merkwürdig gehemmt und verlegen. Von allem Anfang an stand er wieder im Bann ihrer dunklen, schwermütigen Augen.
    „Darf ich Sie ein Stück begleiten?“, fragte er schüchtern.
    Sonja Garden nickte. Sie ging nahe neben ihm her. Der herbe Geruch eines fremden Parfüms strömte von ihr aus. Ihre Nähe war prickelnd und erregend; der exotische Zauber ihrer fernen Heimat lag noch immer über ihr.
    „Sie haben Ihren Vater sicher geliebt“, begann Richard Donally die Unterhaltung. „Sie werden ihn sehr vermissen. Ist es nicht so?“
    „Doch“, sagte Sonja Garden scheu. „Ich hing an ihm viel mehr als an meiner Mutter. Deshalb kann ich ihr auch nicht verzeihen, daß sie ihn so . . . daß sie . . .“
    „Was?“, fragte Richard Donally rasch.
    „Nun, daß sie ihn so quälte und vor allen Menschen demütigte. Sie hatte keine Freude an seinen Erfolgen, die ihn so stolz machten. Sie wollte nach London zurück. Um dieses Ziel zu erreichen, war ihr jedes Mittel recht.“
    „Sie hatte einen Liebhaber, nicht wahr?“, fragte Richard Donally gespannt. „Oder auch mehrere? Wissen Sie etwas davon?“
    Sonja Garden zögerte mit der Antwort. „Darüber kann ich nicht sprechen““, sagte sie herb. „Ich würde meine Mutter damit bloßstellen und in größte Gefahr bringen. Verstehen Sie mich bitte, Mr. Donally. Ich muß notgedrungen zu ihr halten.“
    Zwei, drei Minuten schwieg Richard Donally. Dann nahm er sein Gespräch wieder auf. „Hatten Sie heute Besuch?“, fragte er.
    „Ja“, plauderte Sonja Garden bedrückt. „Aron Goldsmith war da. Er ist Abgeordneter. Wir kennen ihn von drüben her. Er war damals mit den anderen unser Gast."
    „Kommt er öfter?“
    „Ja, er kommt häufig. Er war erst gestern da. Anscheinend treibt ihn die Angst hierher. Er wirkt immer sehr furchtsam und verstört.“
    Sie wanderten langsam zum Haus zurück. Das Gartentor kam in Sicht. Hinter den erleuchteten Fenstern wanderte noch immer ein ruheloser Schatten hin und her.
    „Mutter ist sehr nervös heute“, sagte Sonja Garden. „Anscheinend kommt heute Nacht wieder der.“
    „Wer kommt?“, fragte Richard Donally atemlos.
    Sonja Garden senkte den Blick. Ihre Stimme klang gepreßt und beklommen, als sie sagte: „Ich habe Vertrauen zu Ihnen, Mr. Donally! Sie dürfen das niemand weitersagen. Ich bin sehr mißtrauisch gegen diesen nächtlichen Besucher. Er kommt stets von den Gärten her durch die Hintertür. Ich habe ihn noch nie persönlich gesehen. Aber ich weiß, daß Mutter immer völlig verändert ist, wenn sie ihn
    erwartet. Ich spürte es schon den ganzen Tag, daß er heute nacht kommen wird.“
    Richard Donally konnte nur mit Mühe seine Freude unterdrücken. Am liebsten hätte er hell vor sich hingepfiffen. Er ahnte in diesem Moment, daß er dem Kommissar gegenüber einen gewaltigen Vorsprung errungen hatte.
    „Sehen wir uns einmal wieder?“, fragte er leise.
    Als Sonja Garden durch das Gartentor eingetreten war, blieb sie noch einmal stehen.
    „Ich mache jeden Abend einen kleinen Spaziergang“, sagte sie verwirrt. „Immer um die gleiche Stunde. Wollen Sie mich morgen wieder begleiten?“
    „Ja,“ sagte Richard Donally glücklich. „Und ob ich das will. Ich werde hier stehen und auf Sie warten.“
    Er sah ihr nach, bis sie im Haus verschwunden

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