Ich werde schweigen Kommissar Morry
meine Wohnung. Du mußt wieder einmal Menschen sehen, eine anständige Behausung, ein richtiges Bett ..."
„No“, wehrte Irving Bacon heiser ab. „Quäl mich nicht. Du weißt nicht, warum ich mich hier verborgen halte. Es ist auch gut, wenn du es nie erfährst. Laß mich jetzt allein.“
„Warum sollte ich dann überhaupt kommen?“, fragte Richard Donally verständnislos. „Du hast mich doch eigens rufen lassen.“
Irving Bacon hörte nicht auf seine Worte. Er war unter die Kellerluke getreten und starrte nun verängstigt auf die dunkle Straße hinaus. Sein Gesicht lag in ungewissem Zwielicht. Seine Augen funkelten wie die leuchtenden Pupillen einer Katze.
„Ich gehe jetzt“, sagte Richard Donally in das lähmende Schweigen hinein. „Wann soll ich wieder kommen? He, Irving! Hörst du nicht? Bis wann erwartest du mich wieder?“
„In drei Tagen“, gab Irving Bacon hastig zurück. Sonst sagte er nichts. Er spähte noch immer angestrengt durch die blinden Scheiben.
Da blieb Richard Donally nichts anderes übrig als das trostlose Kellergewölbe wortlos zu verlassen.
Wann wird das wohl einmal aufhören, dachte er deprimiert. Wann werde ich nicht mehr zu allem schweigen müssen. Es wird der glücklichste Tag meines Lebens werden. Er ging auf Umwegen bis zur nächsten Hauptstraße. Dort setzte er sich in einen Autobus und fuhr nach Hause. Auch Mack Towarin hatte inzwischen seine Schusterwerkstatt in der Salmon Lane erreicht. Er trat in die niedrige Kammer, versperrte von innen die Tür und zog dann den Schlüssel ab, wie es seine Gewohnheit war. Sein Bett stand hinten in einem muffigen Winkel der großen Kammer. Er machte Licht, glättete liebevoll den Geldschein, den er von Kommissar Morry erhalten und verbarg seinen Schatz unter einer Diele des Fußbodens. Dann zog er sich aus, löschte das Licht und kroch in die Federn. Er war gerade so richtig behaglich warm geworden, da pochte es an der Tür.
„Eh, wer ist da?“, fragte Mack Towarin schlaftrunken. „Hat man denn nicht einmal nachts seine Ruhe?“
„Ich bins, Kommissar Morry“, klang es von draußen herein. „Kann ich Sie nicht noch auf einen Augenblick sprechen, Mr. Towarin? Es dauert nicht lang. Ich spendiere zehn Pfund extra, wenn Sie mir..."
Das wirkte. Mack Towarin richtete sich hastig in seinen Kissen auf. Seine Augen irrten durch das Dunkel. Der Lichtschalter war zu weit entfernt. Er konnte ihn vom Bett aus nicht erreichen. Andererseits aber hatte Mack Towarin auch keine Lust, sein warmes Nest noch einmal zu verlassen.
„Sie finden auch allein herein, Sir“, rief er mit hoher Fistelstimme. „Greifen Sie oben in die Türöffnung. Dort liegt ein Reserveschlüssel.“
Er hörte eine Hand über die Türfüllung tasten; kurz nachher vernahm er ein leises, metallisches Klirren. Der Schlüssel drehte sich im Schloß. Die Tür öffnete sich. Hastige Schritte tappten in die Kammer.
„Ich habe das Versteck gefunden, Sir“, rief Mack Towarin erfreut. „An Ihrer Stelle würde ich den Burschen noch heute Nacht ausheben. Vielleicht kommen Sie morgen schon zu spät.“
Als er keine Antwort bekam, blickte er erstaunt auf den dunklen Schatten, der wie ein Nachtgespenst durch die Kammer geisterte. Langsam, unsicher, zaudernd kamen die Schritte auf sein Lager zu.
„Der Lichtschalter ist links neben dem Ofen“, brummte Mack Towarin. „Knipsen Sie ihn an, Sir! Diese Finsternis macht mich nervös.“
Schon im nächsten Moment wurde es hell. Entsetzt und fassungslos starrte Mack Towarin auf den Mann, der unbeweglich in nächster Nähe stand.
„Sie?“, fragte der Schuster bestürzt. „Was haben Sie hier zu suchen? Ich dachte, es sei der Kommissar, der mich . . .“
Mach Towarin pfiff wie eine erschreckte Ratte, als er plötzlich die schwarze Mündung einer Pistole auf sich gerichtet sah.
„Sind Sie wahnsinnig?“, kreischte er in Todesängsten. „Ich habe doch nichts getan. Ich wollte doch nur . . .“
Der Tod riß ihm die letzten Worte von den Lippen. Das brutale Ende kam so jäh und unvermittelt, daß Mack Towarin nicht einmal einen Laut von sich geben konnte.
Er fiel in die Kissen zurück, sein Körper zuckte gequält und streckte sich dann lang aus. Die Bettlaken färbten sich rot. Das Blut rann in einer dünnen Spur bis auf den Boden nieder. Es wurde beklemmend still in der ärmlichen Kammer.
14
Als Kommissar Morry und Hilfsinspektor Puck am nächsten Tag durch die Salmon Lane auf die Schusterwerkstätte zugingen, waren
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