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Ich werde schweigen Kommissar Morry

Ich werde schweigen Kommissar Morry

Titel: Ich werde schweigen Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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blendete ihn sekundenlang. Ehe er noch etwas erkennen konnte, hörte er plötzlich einen erstickten Aufschrei ganz in der Nähe.
    Noch im gleichen Moment wurde es hell im Zimmer. Eine Nachttischlampe flammte auf. Ihr Schein fiel auf ein blütenweißes Bett und spiegelte sich in zwei großen erschrockenen Mädchenaugen. „Was tun Sie hier?“, fragte eine entsetzte Stimme. „Wie sind Sie denn ins Haus gekommen? Ich flehe Sie an, Mr. Donally. Verlassen Sie auf schnellstem Wege dieses Zimmer. Es wäre entsetzlich, wenn man Sie . . . wenn Sie . . .“
    Für ein paar Sekunden vergaß Richard Donally vollkommen, warum er überhaupt in dieses Haus gekommen war. Er starrte Sonja Garden an, als sei sie eine Erscheinung aus einer anderen Welt. Sie hatte noch nie so bezaubernd ausgesehen wie in dieser Stunde, da sie hilflos und bestürzt vor ihm in den Kissen lag. Ihr dunkel getöntes Gesicht zeigte rührend kindliche Züge der Angst und Verlassenheit. Ihre dunklen Augen waren halb scheu, halb vorwurfsvoll auf ihn gerichtet.
    „Gehen Sie bitte!“, sagte sie noch einmal. „Sie dürfen nie wieder in dieses Haus kommen, hören Sie?“
    „Es ist Besuch eingetroffen“, murmelte Richard Donally gedämpft. „Können Sie mir sagen wohin der Fremde gegangen ist? Wo pflegt er sich denn mit Mrs. Garden zu treffen?
    „Im Balkonzimmer“, flüsterte das Mädchen gehetzt. „Aber ich beschwöre Sie, nicht dorthin zu gehen. Hören Sie bitte auf meinen Rat. Verlassen Sie das Haus.“
    „Auf Wiedersehen bis morgen Abend“, sagte Richard Donally lächelnd. „Vergessen Sie nicht, daß ich am Tor auf Sie warten werde.“
    Er huschte geräuschlos aus dem Zimmer und klappte leise die Tür hinter sich zu. Dann stand er wieder in der Dunkelheit der Diele. Er rechnete sich aus, wo der Balkon liegen mußte. Die ungefähre Richtung wußte er. Langsam und vorsichtig schlich er auf die vierte Tür zu. Sie war ebenfalls nicht verschlossen. Vom ersten Moment an fühlte er, daß er auf dem richtigen Weg war. Er hörte die dunkle Stimme eines Mannes. Manchmal sprach Melanie Garden ein paar schrille Worte dazwischen. Die Stimmen kamen aus dem angrenzenden Raum.
    Richard Donally wollte sich eben zum Schlüsselloch niederbeugen, da hörte er, daß drinnen ein Stuhl gerückt wurde. Rasche Schritte kamen auf die Tür zu. Im nächsten Moment wurde sie aufgerissen. Richard Donally stand wie ein ertappter Sünder im blendenden Lichtschein. Er machte sich auf eine Katastrophe gefaßt. Er rechnete damit, daß man ihn kurzerhand niederschlagen würde. Aber etwas ganz anderes geschah.
    Der Mann, der eben noch bei Melanie Garden im Zimmer gewesen war, barg blitzschnell das Gesicht in den Händen und stürmte wie ein Verrückter an Richard Donaily vorbei. Diese Flucht ging so hastig vonstatten, daß Richard Donally kaum begriff, was geschah. Er hörte nur noch das harte Zuschlägen der Hintertür. Dann war es wieder still.
    Als Richard Donally den Blick in das Balkonzimmer wandte, sah er Melanie Garden regungslos auf dem Diwan sitzen. Sie stierte zu ihm her, als sähe sie ein Gespenst. Ihr Gesicht war bleich bis in die Lippen. In ihren Augen schwelte das düstere Feuer des Wahnsinns. Ein hysterischer Ausbruch begann sie wie hitziges Fieber zu schütteln.
    „Ich habe das alles nicht gewollt“, schrie sie wie von Sinnen.
    „Ich bin nicht schuld an diesen Morden. Er hat sie ganz allein auf sich geladen. Ich erfuhr erst gestern von ihm, daß er es ist, der . . .“
    „Wer war er denn?“, fragte Richard Donally hastig. „Ich habe ihn nicht erkannt.“
    Umsonst wartete er auf eine Antwort.
    Melanie Garden sah ihn gar nicht mehr. Hinter ihren leeren Augen wohnte das Grauen. Sie befand sich in einem Abgrund der Hoffnungslosigkeit, aus der es kein Entrinnen mehr gab. Als sich Richard Donally etwas später in Richtung der Hintertür entfernte, hörte er sie noch immer schluchzen. Ihre Angstschreie gellten schrill durch das Haus.
     
    16
     
    Noch in derselben Nacht nützte Richard Donally die einmalige Chance, unbeobachtet seinen Bruder aufsuchen zu können. Er wußte, daß ihn seine Verfolger aus den Augen verloren hatten. Sie drückten sich noch immer in der Nähe der Autobushaltestelle am Alexandra Park herum. Sie hatten keine Ahnung von dem, was er eben erlebt hatte.
    Ich werde Irving warnen, dachte er. Ich muß ihm sagen, daß ich in Zukunft nicht mehr kommen kann. Er muß sich ein anderes Versteck suchen. Ich werde ihm Geld dalassen, damit er sich in nächster

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