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Ich werde schweigen Kommissar Morry

Ich werde schweigen Kommissar Morry

Titel: Ich werde schweigen Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Zeit selbst versorgen kann.
    Auf dunklen, stillen Seitenwegen gelangte er zur Hornsey Station. Er nahm sich eine Taxe und ließ sich in den Londoner Osten fahren. Am East India Dock stieg er aus und wanderte gemächlich dem Versteck Irving Bacons entgegen.
    Obwohl er sich oftmals umdrehte, sah er den Mann nicht, der in einem Streifenwagen hinter ihm herfuhr. Es war Kommissar Morry, der durch Zufall wieder auf seine Fährte gestoßen war. Der Wagen fuhr mit gelöschten Lampen. Er hielt einen so großen Abstand, daß Richard Donaily nicht einmal das Brummen des Motors hören konnte. Er war völlig ahnungslos, als er in die enge Gasse einbog. Links zogen sich die öden Fabriken und Werkstätten hin. Zur Rechten tauchte das halbverfallene Haus auf, das früher eine Obsthandlung beherbergt hatte.
    Langsam hielt Richard Donally darauf zu. Er drehte sich noch einmal um. Die Gasse lag völlig einsam. Kein Mensch weit und breit. Verstohlen huschte Richard Donally an die Tür heran und pochte dreimal an das dickwandige Holz.
    „Wer ist da?“, ließ sich eine brüchige Stimme vernehmen. Sie klang krank und seltsam fremd. Ein irrer Ton schwang dazwischen.
    „Dein Bruder“, murmelte Richard Donally. „Mach auf! Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.“
    Der Riegel klirrte zurück. Die Tür tat sich langsam auf. Wie ein weißer Fleck tauchte das verzerrte Gesicht Irving Bacons aus dem Dunkel.
    „Was willst du?“, fragte er feindselig. „Ich habe dich nicht gerufen. Willst du etwa die anderen auf meine Spur locken?“
    Er ist nicht mehr bei klarem Verstand, dachte Richard Donally erschüttert. Er ist krank. Er muß weg von hier. Er wird noch wahnsinnig in diesem dunklen Verließ. Die Einsamkeit und das Ausgestoßensein zermürben sein Hirn und seine Lebenskraft.
    Richard Donally begleitete ihn in das Kellergewölbe hinunter. Eine Kerze brannte flackernd unter der Luke. Sie drohte ständig zu verlöschen, so heftig blies der Luftzug über sie hin.
    „Ich kann“, sagte Richard Donally, „in Zukunft nicht mehr zu dir kommen. Sie sind alle hinter mir her. Sie würden schon morgen dein Versteck finden. Du mußt also weg. Komm mit! Ich bringe dich in einem anderen Haus unter.“
    Irving Bacon rührte sich nicht. Er hatte gar nicht zugehört. Stumpfsinnig starrte er in das zuckende Licht der Kerze.
    „Noch etwas“, sagte Richard Donally. „Ich war heute Nacht im Haus Melanie Gardens. Ich weiß jetzt, wer ihr heimlicher Besucher ist. Soll ich ihn dir beschreiben?“
    Wieder keine Antwort. Irving Bacon schien bereits jegliches Interesse am Dasein verloren zu haben. Er lebte bereits in einer anderen Welt. Er hörte überall Stimmen und eine monotone fremdartige Musik. Der Wind sang ihm ein Lied aus fernen Tagen. Mit stumpfem Gesicht horchte er den seltsamen Tönen nach.
    „Komm mit!“, sagte Richard Donally drängend. „Wir müssen gehen. Du mußt in deinem neuen Versteck sein, bevor der Morgen graut.“
    Er hätte Gewalt anwenden müssen, um Irving Bacon aus seiner Höhle wegzubringen. Er wollte nicht. Er sträubte sich mit Händen und Füßen. Er begann wild um sich zu schlagen. Ja, er begann sogar laut zu schreien.
    Da ließ es Richard Donally sein. Deprimiert und restlos entmutigt stieg er die Treppe empor. Er warf die Tür zu und wanderte langsam die schmale Gasse hinunter.
    Einmal hatte er das beklemmende Gefühl, als würde er von der Fabrik her von einem lauernden Augenpaar beobachtet. Aber er tröstete sich damit, daß ihm die zerrütteten Nerven einen Streich spielten. Er ging weiter. Unaufhaltsam weiter.
    Erst als das East India Doch in Sicht kam, verhielt er seine Schritte. Unmittelbar vor ihm blitzten plötzlich die Scheinwerfer eines Autos wie die tückischen Lichter eines Tieres auf. Sie blendeten ihn mitten ins Gesicht.
    „Guten Morgen, Mr. Donally“, sagte eine freundliche Stimme. „Wollen Sie nicht ein wenig mit mir plaudern? Es ist so einsam hier in dieser Gegend. Ich fühle mich ganz verlassen.“
    Richard Donally trat argwöhnisch an den Wagen heran. Verstört blickte er in das Gesicht Kommissar Morrys. „Sind Sie mir gefolgt?“, fragte er erschreckt.
    „Hm. Sie haben es erraten. Ich begleitete Sie bis zu dieser Gasse. Dann stieg ich aus und sah Ihnen nach. Sie verschwanden in einem Haus zur Rechten. Wenn ich mich nicht irre, ist früher einmal eine Obsthandlung an diesem Platz gewesen.“
    Richard Donaily schwieg. Die Verzweiflung griff mit harten Krallen nach ihm. Dumpf hämmerte sein Blut an die

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