Ich werde schweigen Kommissar Morry
Goldsmith zuversichtlich. „Ich werde mir schon die richtige Pension aussuchen. Vielen Dank für Ihre Mühe. Aber vorerst brauchen Sie sich keine Sorgen um mich zu machen.“
Zwei, drei Minuten ging Kommissar Morry noch im Zimmer auf und ab, bis er sich endlich verabschiedete. Er tat es ungern. Er wäre lieber hiergeblieben. Da aber Aaron Goldsmith bereits einen Koffer zu packen begann, wollte er nicht länger stören. Er verließ die Wohnung, ging zu seinem Dienstwagen, den er hinter dem Balls Pond abgestellt hatte und fuhr im schärfsten Tempo nach Holloway. Am Georges Place hielt er an, stieg aus und trat kurz nachher in den Mitternachtssaloon der Witwe Pattison ein. Schon auf den ersten Blick sah er Lacy Acklam und Ben Hopkins am Ecktisch hinter der Küchentür sitzen. Sie starrten ihm mit erschreckten Augen entgegen. Ihre Gesichter wurden grünlichgelb als er auf ihren Tisch zusteuerte. Sie vergaßen fast das Atmen, so sehr regte sie das Erscheinen des Kommissars auf.
„Na, meine Herren“, sagte Morry belustigt. „Es dauert ziemlich lang, bis Rex Chapel und Ernest Cropp zurückkommen, nicht wahr? Sie sollten doch tausend Pfund bei Aaron Goldsmith kassieren. Wo die beiden nur bleiben.“
Lacy Acklam und Ben Hopkins zogen die Köpfe ein, als hätte es unmittelbar neben ihnen gedonnert. Ihre Lippen hingen bis auf die Tischkante nieder. Ihre Kehlen waren plötzlich wie ausgedörrt.
„Ich habe eine kleine Enttäuschung für euch, liebe Freunde“, fuhr Kommissar Morry ironisch fort. „Rex Chapel und Ernest Cropp lassen euch vielmals grüßen. Leider können sie nicht mehr persönlich hier erscheinen. Sie wurden vor einer halben Stunde ins Wandsworth Gefängnis eingeliefert. Euch wird nun das gleiche blühen, meine Herren. Ihr gebt doch zu, daß ihr mit den beiden ändern unter einer Decke stecktet.“
„Nichts geben wir zu“, protestierte Ben Hopkins energisch. Nun auf einmal hatte er seine Sprache wiedergefunden. „Wir haben keine Ahnung, wo die Boys geblieben sind. Sie haben kein Wort davon gesprochen, daß sie zu Aaron Goldsmith gehen wollten. Wahrscheinlich wollten sie den Mann allein abstauben. Spreche ich nicht die Wahrheit, Lacy?“
„Doch, das ist die reine Wahrheit“, bekräftigte Lacy Acklam. „Kein Engel ist so rein wie wir, Sir. Wir haben ein besseres Gewissen als Sie selbst.“
„Ich würde an Ihrer Stelle den Mund nicht so voll nehmen“, mahnte der Kommissar. „Wenn es hoch kommt, sind Sie noch bis morgen Abend in Freiheit. Bis dahin werden Rex Chapel und Ernest Cropp sicher gesungen haben.“
„Sie können ruhig singen“, brummte Ben Hopkins mit einem schrägen Seitenblick. „Wir haben nichts zu verbergen, Sir! Darauf können Sie Gift nehmen.“
Kommissar Morry griff nach seinem Hut. „Ich habe das Gefühl, daß wir uns bald Wiedersehen“, sagte er lächelnd. „Bis morgen also. So long!“
Als der Kommissar sich entfernt hatte, hockten Lacy Acklam und Ben Hopkins wie die Ölgötzen auf ihren Stühlen. Angewidert schoben sie die Bierkrüge zur Seite. Das Zeug schmeckte schal und bitter. Es hatte den faden Geschmack der Kaffeebrühe, die an die Häftlinge im Wandsworth Gefängnis ausgegeben wurde.
„Wir sollten türmen“, brummte Lacy Acklam heiser. „Noch heute nacht, verstehst du? Dieser Kommissar hält sein Wort, darauf kannst du dich verlassen. Er wird uns spätestens morgen Abend die Handschellen verpassen.“
„Ganz meiner Meinung“, sagte Ben Hopkins grübelnd. „Wir werden auch türmen, alter Freund. Aber nicht ohne Geld, versteht sich. Wenn Rex Chapel und Ernest Cropp wirklich hochgegangen sind, dann hat dieser Aaron Goldsmith noch das ganze Pulver in seiner Wohnung. Wir werden es ihm abnehmen, Lacy. Allein schon deshalb, weil er die Boys verzinkte.“
„All right!“ knurrte Lacy Acklam. „Wir werden das Ding noch drehen, bevor wir verduften. Dann aber nichts wie ab. Hierher kommen wir auf keinen Fall zurück.“
Sie nahmen liebevollen Abschied von Tante Pattison und zwängten sich kurz nachher zur Tür hinaus. Vorsichtig und argwöhnisch blickten sie sich auf der Straße um. Sie sahen nirgends den Dienstwagen des Kommissars stehen. Auch von dem Detektiv selbst war nichts zu sehen.
„Die Luft ist sauber“, raunte Ben Hopkins. „Ich wußte es ja. Dieser Kommissar ist auch nicht gescheiter als andere Leute.“
Sie leisteten sich einen Mietwagen und kamen zehn Minuten später am Balls Pond in Kingsland an. Zur Rechten lag das vierstöckige
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