Ich werde schweigen Kommissar Morry
Hähnchen und würzigen Fleischsuppen. Hier werde ich bleiben, dachte Aaron Goldsmith mit einem befreiten Atemzug. Hier wird mir nichts geschehen. Ich werde hier sitzenbleiben, bis der Morgen kommt.
Er bestellte sich ein Glas Bier und rauchte in hastigen Zügen eine Zigarette.
„Zeitungen“, sagte plötzlich jemand neben ihm. „Sie kosten nichts Sir! Es sind Gratisblätter.“ Noch ehe sich Aaron Goldsmith umdrehen konnte, war der Händler schon wieder im Gewühl verschwunden. Eine einzelne Zeitung lag vor ihm auf dem Tisch. Ihr Rand war oben mit Bleistiftschrift bekritzelt. Aaron Goldsmith las bestürzt seinen Namen.
„Warum gestehen Sie nicht endlich“, las er murmelnd, „daß Sie seinerzeit in Brasilien einen Brief von Mr. Garden erhielten. In diesem Schreiben wurden Sie aufgefordert, die Ehre des Hauses rein zu halten und Melanie Garden in Zukunft fern zu bleiben. Sie kümmerten sich nicht um diese Warnung. Sie erhielten einen zweiten Brief. Am nächsten Tag wurde Mr. Garden dann ermordet aufgefunden. Sie werden ins Gefängnis wandern, wenn die Polizei von diesem Brief erfährt. Wir erlauben uns, heute gegen Mitternacht in Ihre Wohnung zu kommen. Es wird gut sein, wenn Sie eine größere Summe für uns bereit halten...“
Aaron Goldsmith ließ ächzend das Zeitungsblatt sinken. Der große Wartesaal schaukelte plötzlich wie ein Karussell vor ihm auf und ab. Die Gesichter der Gäste verschwammen zu farbigen Flecken. Das Stimmengemurmel schwoll in seinen Ohren zu brausendem Lärm an. Er konnte es nicht mehr ertragen. Ich muß weg, dachte er gehetzt. Ich muß in meine Wohnung zurück. Ich möchte wissen, wer dieses Geheimnis kennt. Wahrscheinlich ist es in die Hände schamloser Erpresser gefallen. Ich werde mit ihnen verhandeln müssen.
Er warf einen Geldschein auf den Tisch, faltete die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Brusttasche. Dann wankte er mit schleppenden Schritten aus dem Wartesaal.
In hinfälliger Haltung taumelte er auf den Bahnhofsplatz hinaus. Dort nahm er sich eine Taxe und fuhr unverzüglich nach Hause. Um die gleiche Stunde warteten Rex Chapel, Ernest Cropp und Lacy Acklam im Mitternachtssaloon der Witwe Pattison auf die Rückkehr Ben Hopkins.
„Es wird nicht geklappt haben“, brummte Ernest Cropp mürrisch. „Ich sagte ja gleich, daß wir am besten die Hände von diesem dreckigen Geschäft lassen. Muß noch immer an diesen Kommissar denken, der uns seine Visitenkarte in die Hände zauberte. Es wird schiefgehen, verlaßt euch auf mich, Boys!“
„Warum denn?“, warf Rex Chapel gereizt dazwischen. „Ben wird sicher wissen, was er tut. Wollen erst mal abwarten, bis er wieder auf der Bildfläche erscheint.“
Es dauerte nicht lange, da ikam Ben Hopkins durch die Pendeltür hereingeschlichen. Er grinste über das ganze Gesicht. Mit raschen Schritten ging er auf seine Freunde zu.
„Es hat geklappt“, zischte er hastig durch die Zähne. „Dieser Aaron Goldsmith ist prompt auf mein Geschreibsel hereingefallen. Er machte sich noch in der gleichen Minute aus dem Staub. Bin ihm bis zum Bahnhofsplatz nachgeschlichen. Er ist mit einer Taxe in seine Wohnung zurückgefahren.“
„Na also!“, schrie Lacy Acklam begeistert. „Dann paßt es doch! Fragt sich nur, wer von uns den kleinen Nachtmarsch übernimmt. Schlage vor, daß das Los entscheidet.“
„Nichts da“, brummte Ben Hopkins mit schiefen Blicken. „Ich habe meine Arbeit bereits geleistet. War nicht ganz einfach, an Aaron Goldsmith heranzukommen. Mußte jede Sekunde riskieren, daß mich die Cops am Kragen faßten. Das andere müßt ihr schon allein machen. Ich bleibe hier und wärme mir die Füße auf.“
Die drei anderen berieten mit finsteren Gesichtern. Sie schluckten und räusperten sich und drückten eine Ewigkeit hin und her.
„Na meinetwegen“, knurrte Rex Chapel endlich. „Was meinst du, Ernest? Wollen wir das heiße Ding noch einmal anfassen?“
„Dann ist es aber das letzte Mal“, stieß Ernest Cropp hervor. „Wenn ihr wieder damit anfangt, müßt ihr euch einen anderen suchen.“
„Na los! Geht schon!“, zischte Ben Hopkins. „Worauf wartet ihr noch? Aaron Goldsmith ist jetzt zu Hause. Nun habt ihr die beste Chance, ihn anständig zu rasieren.“
Rex Chapel und Ernest Cropp stürzten noch rasch zwei Schnäpse hinunter, bevor sie sich auf den Weg machten. Hätten sie gewußt, daß sie nie wieder in den Saloon der Witwe Pattison zurückkehren würden, so wären sie vermutlich wie festgeleimt
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