Ich will dich fuer immer
unentwegt mit so durchdringendem Blick in die Augen gesehen, dass sie sich nackt und ausgeliefert und verehrt und beschützt gleichzeitig vorgekommen war. Und danach hatte er sie noch lange fest umschlungen gehalten und seinen Kopf in ihre Halsbeuge geschmiegt.
Sie hätte die ganze Nacht unter der süßen Last seines Körpers verbringen und mit den Fingern kleine Kreise auf seinen Rücken malen mögen, doch irgendwann ließ er sich von ihr gleiten und verließ das Bett. Einen Moment später hörte sie das Prasseln der Dusche und stand ebenfalls auf. Draußen war es noch immer dunkel. Trotzdem wusste sie, dass sie nicht mehr einschlafen würde.
Nachdem sie sich ein Top und eine halblange Pyjamahose übergezogen hatte, setzte sie einen Kaffee auf, während Levi noch duschte. Seine Kleider hingen zum Trocknen über den Lehnen der Küchenstühle. Als die ersten Kaffeetropfen in die Kanne plätscherten, lehnte sie sich an die Küchentheke und dachte daran, wie verzweifelt Levi ausgesehen hatte, als sie ihn im Flur gefunden hatte. Es war etwas passiert, das ihn so erschüttert hatte, dass er zu ihr gekommen war, um Trost zu finden.
Nie zuvor hatte sie einen Mann getroffen, der sich so sehr abschottete. Sein Leben bestand daraus, Orte und Menschen hinter sich zu lassen.
Aber schon am Anfang hatte er gesagt, dass es mit ihr anders sei. Und wieder einmal fragte sie sich, was passiert wäre, wenn sie mehr Zeit miteinander gehabt hätten. Ob sie für Levi jemand geworden wäre, zu dem er kommen konnte, wenn er jemanden brauchte – ohne sich zu rechtfertigen. Ob er in ihr jemanden gefunden hätte, an dem er festgehalten hätte.
Als er aus der Dusche kam, war der Kaffee gerade fertig.
Mit der Tasse in der Hand ging sie zum Schlafzimmer und blieb im Türrahmen stehen.
Levi saß auf der Bettkante, ein Handtuch um die schmalen Hüften geschlungen und die Ellenbogen auf den Knien abgestützt. Er wirkte erschöpft.
„Levi?“, fragte sie und stellte die Tasse auf der Kommode ab.
„Meine Mutter“, erklärte er.
Sie ging ins Zimmer hinein und setzte sich neben ihn. An ihn geschmiegt wartete sie darauf, dass er fortfahren würde und das bestätigen, was sie bereits ahnte.
„Man hat sie vor drei Tagen gefunden.“
Seine Mutter. Eine Frau, von der Elise nichts wusste – nur dass sie ein Teil dessen war, was Levi zu dem Mann gemacht hatte, der er heute war. Zu dem Mann, den sie trotz allem liebte.
Während sie immer wieder sagte, wie leid es ihr täte, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Ihre Worte erschienen ihr hohl, viel zu klein für das riesige Loch, das durch diesen Verlust entstanden war.
Nach einer Weile nickte Levi. „Mir tut es auch leid.“
Elise ergriff seine Hand und fragte, wie es passiert sei.
„Ein Zimmermädchen hat sie in einem Motelzimmer gefunden. Sie dachte erst, sie würde schlafen, doch dann hat sie versucht, meine Mutter zu wecken …“ Er atmete geräuschvoll aus. „Ich hätte etwas tun müssen.“
Elise streichelte seinen Rücken und versuchte, so sachlich zu sein, wie Levi es in solchen Fällen ihr gegenüber gewesen war. „Du konntest es nicht wissen.“
Levi schüttelte den Kopf und sah sie ernst an. „Doch. Sie hat getrunken. Ich habe sie telefonisch nicht erreichen können, das ist immer so, wenn sie wieder angefangen hat. Ich habe den Typen angerufen, der sich um ihre Einkäufe kümmert. Das Essen, was er ihr eine Woche zuvor gebracht hatte, lag halb vergammelt in der Küche. Er hat es weggeschmissen und ihren Kühlschrank wieder gefüllt, aber es sah schlimm aus in der Wohnung. In der folgenden Woche sah es so aus, als sei sie zwischendurch da gewesen, aber es war noch dreckiger als vorher.“
„Sie war Alkoholikerin?“
Levi nickte.
„Levi, es tut mir so leid. Aber du darfst dir keine Vorwürfe machen, dass du nicht bei ihr warst.“ Zumal seine Erklärungen darauf hindeuteten, dass seine Mutter schon länger Probleme hatte. Wie war Levi wohl aufgewachsen?
„Hatte sie schon lange damit zu kämpfen gehabt?“
Die alte Verbitterung stieg wieder in ihm hoch. Kämpfen war wohl etwas viel gesagt … auch wenn ihm klar war, dass es genau das war, was seine Mutter getan hatte.
„Seitdem ich lebe. Und wahrscheinlich auch schon lange vorher, obwohl ich das nicht genau weiß.“ Genaugenommen wusste er dafür, dass er sechzehn Jahre mit ihr unter einem Dach gelebt hatte, nur wenig von seiner Mutter: Wie man ihr am besten aus dem Weg ging, wann er sie sauber machen musste
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