Ich will dich fuer immer
und, dass man nicht allzu viel Hoffnung in die kurzen Phasen, in denen sie ihr Leben auf die Reihe zu kriegen schien, setzen durfte.
Das war das Schlimmste gewesen.
Zu hoffen, dass alles besser werden würde, nur um eines Tages von der Schule in eine verlassene Wohnung zu kommen und eine leere Schnapsflasche auf dem alten Resopaltisch vorzufinden. Stunden- oder tagelang darauf zu warten, dass sie lallend und mit glasigem Blick wiederkäme. Und sich bei dem neuen Typen, den sie im Schlepptau hatte, dafür entschuldigen würde, dass sie ihn nicht rechtzeitig vorgewarnt habe, dass sie einen Sohn hätte. Und versprechen, dass das Kind nicht stören würde.
Eine sachte Berührung an seinem Arm holte ihn ins Hier und Jetzt zurück.
„Bist du deswegen so früh von Zuhause weggegangen?“
„Ja.“ Noch immer spürte er die Benommenheit von damals. Das Gefühl, langsam an einem Leben zu ersticken, dem er nicht hatte entkommen können. Und auf einmal erzählte er Elise alles. All das, was er bislang keiner Menschenseele anvertraut hatte. Von seinem Schmerz. Seiner Angst. Und dem verzweifelten Wunsch, all dem zu entkommen. Er erzählte ihr, wie seine Mutter ihm sein Dasein zum Vorwurf gemacht und gezischt hatte, dass sie es bedauerte, ihn nicht weggegeben zu haben.
Er erzählte Elise, wie er kurz nach seinem sechzehnten Geburtstag mit dem Geld, das er sich im Laufe der Zeit zurückgelegt hatte, genug zu essen für eine Woche gekauft hatte. Die übrig gebliebenen Scheine hatte er neben die Konserven auf den Küchentresen gelegt. Er wusste, dass es ein Fehler war, Geld dazulassen, wusste, dass sie nur noch mehr Alkohol davon kaufen würde. Aber anders hätte er nicht gehen können. Und er musste gehen.
„Ich habe geglaubt, dass ich es nicht überlebe, wenn ich dableibe.“ Es war richtig gewesen zu gehen. Das wusste er jetzt ebenso gut, wie er es damals gewusst hatte. „Aber ich hätte zu ihr zurückkommen müssen. Nachdem ich mir ein eigenes Leben aufgebaut habe, hätte ich mich mehr um sie kümmern müssen.“
Elise liefen Tränen über die Wangen. Leise fragte sie: „Was hättest du denn tun können?“
Seufzend rieb er sich den Nacken. „Jedenfalls mehr, als mein Gewissen dadurch zu erleichtern, dass ich ein bisschen Geld ausgebe, um Miete und Lebensmittel für sie zu bezahlen.“
„Hast du ihr weiterhin Geld geschickt?“
Levi lachte bitter. „Natürlich nicht. Sie hätte es versoffen und wäre irgendwann auf der Straße gelandet. Und dann hätte ich nicht mehr sicher sein können, dass sie zumindest eine feste Bleibe hat. Nein, ich habe ihr ein kleines Haus gemietet und einen Typen engagiert, der für sie einkaufen gegangen ist.“
Elise öffnete den Mund, sagte aber nichts.
„Ja. Genau, wie ich es dir angeboten habe – für den Fall, dass du schwanger gewesen wärst. Das ist das Einzige, was ich tun kann, wenn ich meinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht, was ich gedacht habe.“
„Aber du hättest es denken sollen. Denn es ist so.“
Sein Eingeständnis hatte für ihn etwas eigenartig Befreiendes, doch die Schuldgefühle blieben. Vielleicht wollte er einfach nur, dass Elise es wusste.
Vielleicht wollte er ihr einen weiteren Grund geben, sich von ihm abzuwenden. Ihr ein weiteres Beispiel dafür geben, was für ein Mensch er war, sodass dieser unerträglich mitfühlende und liebevolle Blick ein für alle Mal aus ihrem Gesicht verschwinden würde.
Um Himmels willen, wie verkorkst war er eigentlich? Er hätte nie herkommen dürfen.
Aber das war wohl die Ironie des Schicksals. Genau, wie es ihm nie gelungen war, für seine Mutter das einzig Richtige zu tun, so gelang es ihm auch bei Elise nicht.
Er schaffte es nicht, sich von ihr fernzuhalten.
Also musste er sie dazu bringen, dass sie sich von ihm fernhielt.
„Ist das so? Für mich klingt das eher, als hättest du dein ganzes Leben lang versucht, dich um jemanden zu kümmern, der sich nie um dich gekümmert hat.“
Levi öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, wusste aber nicht, was er sagen sollte. Er konnte nicht mehr. War befallen von einem Schmerz, den er weder verstehen noch erklären konnte. Sowohl körperlich als auch seelisch war er völlig erschöpft. Und Elise, die ihn in ihre Wohnung, ihr Herz und ihren Körper gelassen hatte, war bei ihm. Hatte ihre Arme um ihn geschlungen. Schmiegte ihre Wange an seinen Rücken. Obwohl er sie förmlich angefleht hatte, ihn wegzuschicken,
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