Ich will dich
Nacht hinter dem Lenkrad seines Pick-ups verbracht hatte. Nachdem es ihm nicht gelungen war, eine bequemere Position einzunehmen, gab er die Vorstellung auf, noch ein wenig Schlaf zu finden, und öffnete die Augen. Müde sah er durch die Windschutzscheibe und betrachtete die Gegend. Allmählich wurde ihm bewusst, wo er sich befand und warum.
Er drehte den Kopf und sah aus dem Seitenfenster zu der vorderen Veranda von Renas Haus. Wenige Stunden nach dem Gespräch mit seiner Frau war er umgekehrt und zurückgekommen, weil es noch eine letzte Sache gab, die er für Rena tun musste.
Sie hatte ihm vorgeworfen, dass er sie um ihre Träume gebracht habe. Aber die Wahrheit war viel schlimmer. Wenn Rena sie gekannt hätte, würde sie ihn bestimmt noch mehr verachten, und das aus gutem Grund. Denn nicht ein einziges Mal in all den Jahren ihrer Ehe hatte er auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen, sie könnte Träume haben, geschweige denn, sie könnte sie verloren haben. Er hatte nicht eine Sekunde daran gedacht, welche Opfer sie gebracht haben mochte, als sie ihn wegen der Zwillinge geheiratet hatte, die bereits in ihrer ersten gemeinsamen Nacht gezeugt worden waren.
Allerdings könnte er zu seiner Verteidigung anführen, dass er über die materiellen Dinge, die Rena aufgegeben hatte, schon nachgedacht hatte. Deswegen war er sogar besorgt gewesen. So sehr, dass er seine Anstrengungen bei den Rodeos verdoppelt hatte. Er hatte hart gearbeitet, um Rena mit den kostspieligen Dingen zu versorgen, an die sie gewöhnt war. Sie sollte es nie bereuen, ihn geheiratet zu haben, und er wollte ihr niemals einen Anlass geben, ihn zu verlassen.
Aber jetzt verließ sie ihn trotzdem.
Er hatte einen großen Teil der Nacht damit verbracht, darüber nachzudenken, auf welche Träume Rena für ihn und die Kinder verzichtet haben mochte. Aber ihm war absolut nichts dazu eingefallen. Dass er so wenig über seine Frau wusste, bedrückte ihn, und noch bedrückender fand er es, dass er noch nicht einmal gemerkt hatte, wie unglücklich sie gewesen war.
Wie hatte er nur so blind und egoistisch sein können, wo sie ihm so viel Zuneigung und Liebe entgegengebracht hatte?
Er stieg aus und betrachtete prüfend das Haus, ob es irgendein Anzeichen gab, dass Rena und die Kinder schon wach waren. Doch alles wirkte ruhig, hinter den schmutzigen und verschmierten Fenstern waren kein Licht und keine Bewegung zu erkennen.
Clayton sah nun nach seinem Pferd. Der Wallach stand neben dem Wagen, die Augen halb geschlossen. „He, Easy”, begrüßte er sein Pferd leise und kraulte es zwischen den Ohren, während er mit der anderen Hand das Seil löste, mit dem es festgebunden war. „Mal sehen, ob wir einen Platz finden, wo du ein bisschen grasen kannst.”
Clayton führte das Pferd um den Anhänger herum zu einem Gatter, das er am Vortag bemerkt hatte. Nachdem er Easy auf die umzäunte Wiese geführt hatte, löste er das Seil vom Halfter und gab dem Pferd einen liebevollen Klaps. Dann schloss er das Gatter und ging zum Haus zurück.
Er betrachtete das Gebäude eine Weile lang und kam zu dem Schluss, dass ein paar Stunden Schlaf und die helle Morgensonne seinen ersten Eindruck nicht korrigieren konnten.
Das Haus war tatsächlich eine Bruchbude.
Während er sich fragte, warum Rena mit den Kindern ausgerechnet hier wohnen wollte, umrundete er prüfend das Gebäude und stellte dabei fest, dass etliche Reparaturen nötig waren. Gerade als er um die Ecke bog, wurde die Hintertür geöffnet, und er blieb im Schatten des Hauses stehen. Rena trat auf die Veranda hinaus und hielt einen großen Becher Kaffee in den Händen.
Ihr Anblick verschlug ihm den Atem.
Seine Frau gehörte zu den seltenen Menschen, die immer gut aussehen, mit und ohne Make-up. Aber für ihn war sie niemals schöner als in den ersten Augenblicken, nachdem sie aufgewacht war. Diese Entdeckung hatte er an dem Morgen gemacht, wo er zum ersten Mal neben ihr die Augen aufgeschlagen hatte. Wenn er Rena dieses Geheimnis anvertraut hätte, hätte sie es ihm wohl nicht geglaubt. Doch er fand sie schlichtweg bezaubernd, wenn ihre Augenlider noch schwer vom Schlaf waren, der Abdruck des Kopfkissens auf ihrer Wange zu sehen war und ihr Haar völlig zerzaust war.
Da Clayton befürchtete, dass dies jetzt möglicherweise seine letzte Gelegenheit war, Rena so zu sehen, verhielt er sich still und betrachtete sie nur.
Er erkannte, dass sie eines seiner alten T-Shirts trug, das ihr bis zur Mitte der
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