Ich will dir glauben
noch viel erstaunlicher ist, er streitet ab, überhaupt bei mir gewesen zu sein. Ich habe keine Augenzeugen, aber wir haben ja die Einzelgesprächsnachweise. Und deshalb sollen Sie diese Liste anfordern.«
Max Nagel: »Was möchten Sie damit zeigen, Vergani?«
Maria Dolores Vergani: »Ich möchte sichergehen, dass dieses Telefongespräch stattgefunden hat. Ich möchte wissen, wie lange es gedauert hat. Und anschließend begreifen, was an jenem Abend bei mir zu Hause vorgefallen ist.«
Max Nagel: »Das sind private Angelegenheiten, die nur Sie alleine und die betroffenen Männer etwas angehen. Mit den Ermittlungen hat das absolut nichts zu tun. Ich habe nicht die Absicht, nach irgendwelchen sinnlosen Dingen zu fragen. Nach was suchen Sie eigentlich, Vergani?«
Maria Dolores Vergani: »Für Sie mag es lächerlich klingen, aber ich suche nach der Wahrheit.«
Max Nagel: »Sie bringen mich wirklich noch zur Weißglut! Lange mache ich das nicht mehr mit. Wenn mich Marta nicht um diesen Gefallen gebeten hätte, wären Sie mich schon längst los.«
Maria Dolores Vergani: »Ich begreife nicht, warum Sie mir nicht helfen wollen! Ich habe Sie um nichts weiter gebeten, als zu überprüfen, ob dieses Telefongespräch tatsächlich stattgefunden hat.«
Max Nagel: »Weil ich darin keine Notwendigkeit sehe. Stellen Sie Ihren Lebensgefährten zur Rede, das ist allein ein Problem zwischen Ihnen beiden und hat nichts mit dem Fall zu tun. Und vergessen Sie eins nicht: Wer nach etwas Unwichtigem sucht, endet oft damit, etwas Ungewolltes zu finden. Und vor allem etwas Unnötiges.«
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»Wie konntest du mit so einem nur zusammen sein?« Maria Dolores telefoniert, während der Fernseher läuft.
»Das Gleiche könnte ich dich auch fragen. Wie kannst du nur mit einem wie Michele zusammen sein?«, entgegnet Marta selbstbewusst. »Das ist doch genau das gleiche Prinzip. Männer, die man nicht verlassen kann, selbst wenn man weiß, dass es besser für einen wäre. Die du liebst, selbst wenn sie dich verletzen. Trotz allem oder gerade deswegen. Du strafst dich selbst für deine Liebe zu diesem Mann, aber dennoch bildest du dir ein, dass das alles so seine Richtigkeit hat.«
»Willst du mir damit sagen, dass ihr noch immer zusammen seid?«
»Genau.«
»Und dein Mann?«
»Mit ihm bin ich auch zusammen. Wenn es das ist, was du wissen wolltest.«
Schweigen, in dem sich die Musik von Pink Floyd abhebt.
»Ich weiß schon, was du jetzt denkst. Du willst wissen, wie ich das schaffe. Aber wie schaffst du das mit Michele?«
»Was meinst du jetzt genau …?«, fragt Maria Dolores.
»Wie schaffst du es, mit der Ungewissheit, was Michele betrifft, zu leben, und dich dennoch nicht von ihm zu trennen?« Diplomatisch ausgedrückt.
»Du meinst mit der Ungewissheit, ob er mich …«
Marta unterbricht sie. »Wir haben uns schon verstanden. Wir müssen nicht unnötig ins Detail gehen. Und wenn schon, dann besser nicht am Telefon.« Sie ist Richterin und deshalb von Natur aus vorsichtig. Sie möchte lieber ihre Freundin vor unnötigen Risiken bewahren.
»Genau deswegen versuche ich ja, den Dingen auf den Grund zu gehen.«
»Jeder versucht auf seine Weise, den Dingen auf den Grund zu gehen, in der Hoffnung, die Situation könne sich dadurch entspannen und klären. Auch für mich trifft das zu. Ich kann auf Max nicht verzichten, aber genauso wenig schaffe ich es, meinen Mann zu verlassen. Es ist nicht einfach, Klarheit zu erlangen.«
Vor allem war es nicht einfach zu verzichten. Auf die Höhepunkte in der Liebe. Auf bestehende Vertrautheit, die gerade in strapaziösen Beziehungen besonders stark ist. Auf die destruktiven Kräfte, die schmerzvolle Bindungen in sich tragen. Pink Floyd fassen es passenderweise in einem ihrer Songs zusammen: Together we stand, divided we fall .
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Achille Funi hatte seit einem Jahr keinen körperlichen Kontakt mehr mit einer Frau gehabt. Einige Versuche, mit einer Frau zu schlafen, hatte er durchaus unternommen, aber das Ergebnis war nie wirklich zufriedenstellend ausgefallen. Das eigentliche Problem waren seine Ansprüche. Damit dem Polizeibeamten und frischgebackenen Hauptkommissar eine Frau gefiel, musste sie schon eine relativ lange Liste an Voraussetzungen erfüllen: eine gewisse Ästhetik, jenseits aller Stereotypen, die er jedoch mit einem Großteil der Männer teilte. Einen bestimmten Grad an Grips, der ihm unverständliche Dinge näherbringen konnte. Eine unumstrittene Neigung zur weiblichen Dominanz, zum
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