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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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bald, sehr bald. Jetzt allerdings bräuchte ich Ihre Mithilfe. Ich würde gern einen Blick in Annas Zimmer werfen.«
    »Wann immer Sie wünschen«, antwortet der Vater.
    »Ich müsste außerdem den genauen Zeitpunkt wissen, wann sie ihr Zuhause verlassen hat und was sie sagte, bevor sie ging. An was können Sie sich noch erinnern?« Während er spricht, nimmt Funi den Hall seiner Stimme in der leeren Aula wahr. Vom Tod einer Zwanzigjährigen in einem riesigen Vorlesungssaal zu sprechen, lässt ihn nicht kalt. Er möchte schon vorschlagen, die Unterhaltung im Präsidium fortzuführen, als die Mutter ihm zuvorkommt. »Sie hat uns nicht verlassen, ich meine, sie ist nicht von Zuhause weggegangen. Sie war bereits fort.«
    »Könnten Sie das etwas genauer ausführen«, bittet sie Funi.
    Nun ergreift ihr Mann das Wort. »Anna war in einer medizinischen Einrichtung in Behandlung.«
    »In einer Klinik?«
    »In der Rinascita , einer Privatklinik, die sich besonders auf Fälle mit Essstörungen spezialisiert hat. Meine Frau war überzeugt davon, dass Anna an etwas Derartigem litt. Also haben wir sie darum gebeten, sich eine entsprechende Einrichtung auszusuchen und eine Weile dort zu verbringen, um sich Klarheit zu verschaffen. Wie wir jetzt wissen, war es nicht der richtige Ort für sie.«
    »Hat Sie denn niemand darüber in Kenntnis gesetzt, dass Ihre Tochter die Klinik verlassen hatte?«
    »Nein. Und das hatten wir auch so nicht vereinbart«, antwortet der Mann.
    »Sie hätten uns trotzdem wenigstens anrufen können, um uns zu informieren. Findest du nicht?«, wendet die Frau mit gepresster Stimme ein.
    »Wozu denn? Anna war durchaus imstande, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Sie war ein bewundernswertes Mädchen. Denken Sie nur, sie hat mit sechzehn Abitur gemacht, und mit zwanzig hatte sie schon einen ersten Universitätsabschluss.« Man spürt den Stolz des Vaters auf ihre Leistungen heraus. Die Nachweise ihrer intellektuellen Fähigkeiten scheinen ihn mehr zu beschäftigen als der Verlust ihrer physischen Präsenz.
    »Die Ärzte haben uns erst eine Woche später Bescheid gegeben, dass sie nicht mehr in der Klinik ist. Sie waren davon ausgegangen, dass sie nach Hause zurückgekehrt sei«, berichtet die Frau.
    »Woraufhin Sie die Vermisstenanzeige aufgegeben haben«, ergänzt er.
    »Ja«, bestätigt sie.
    »Vielen Dank, dass Sie mir so spontan Ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben. Noch etwas: Sie haben gesagt, dass sich Anna selbst die Klinik ausgesucht hat. Haben Sie eine Idee, warum ihre Wahl ausgerechnet auf diese Einrichtung fiel?«
    Ihr Ehemann antwortet dieses Mal. »Sie hat viel Zeit im Internet verbracht. Wahrscheinlich ist sie dabei auf diese Klinik gestoßen. Über ein Forum vielleicht. Dann haben wir sie uns gemeinsam angesehen und befunden, dass es ein guter Ort ist. In dem Namen Rinascita – Wiedergeburt – lag außerdem ein literarischer Bezug. Sie wirkte geeignet, seriös und sauber. Vielleicht ein wenig teuer für unsere Verhältnisse. Wäre sie noch länger dort geblieben, hätten wir einen Zuschuss von der Krankenkasse beantragen müssen, was theoretisch möglich gewesen wäre.«
    Bevor sie sich verabschieden, blickt die Frau Funi an und fragt: »Warum hatte Anna dieses Notizbuch bei sich, wenn es ihr gar nicht gehörte?«
    »Das versuche ich noch herauszubekommen. Ich hoffe, dass ich schon bald eine Antwort darauf haben werde. Und auf die restlichen ungeklärten Fragen.«
    »Danke, Herr Hauptkommissar. Sie sind ein anständiger Mensch«, sagt die Mutter und drückt ihm die Hand. Ihr Mann tut es ihr gleich, ohne etwas hinzuzufügen.

71
    »Eine Mailänder Klinik mit dem Namen Rinascita. Die müssen doch eine Homepage haben«, überlegt Achille Funi aus seinem Sessel heraus, während er versucht, den abwesenden Blick von Maria Dolores einzufangen.
    »Vielleicht kreuze ich da heute Nachmittag einfach mal unangemeldet auf. Was meinen Sie, Frau Hauptkommissarin?«
    »Hören Sie doch damit auf, mich ständig Frau Hauptkommissarin zu nennen«, fährt sie ihn an, pikiert und wie aus dem Nichts.
    »Was meinen Sie, Vergani?« Unbeirrt stellt er seine Frage ein zweites Mal. Ein einfaches Vergani, so wie er es sagte, klang in der Tat besser. Und verlieh ihm eine ungewöhnliche Autorität.
    Auch sie bemerkt das und würdigt seinen Versuch. »Ich meine, dass es besser wäre, vorher einen Blick auf die Homepage zu werfen, denken Sie nicht?« Mit schnippischem Unterton.
    »Dann machen wir das doch gleich.

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