Ich will dir glauben
resigniert.
»An besagtem Abend war ich nicht allein zu Hause. Michele war bei mir. Da bin ich mir fast sicher. Dann kam ein Anruf von Luca Righi, Sie wissen schon, der Kollege von der Guardia di Finanza, mit dem wir in diesem Prostitutionsfall zusammengearbeitet haben.«
»Ja, ich erinnere mich noch ganz genau«, antwortet er, in dem Wissen, dass da noch einiges mehr war als nur diese gemeinsamen Ermittlungen.
»Also, es sieht so aus, als ob mich Righi an jenem Abend zu Hause sprechen wollte. Sie wissen doch, welchen Abend ich meine?«
Funi nickt.
»Michele ist ans Telefon gegangen, hat mir aber niemals etwas von diesem Anruf erzählt.«
Funi wartet ab.
Sie schweigt. Blickt zu Boden. Dann legt sie ihre Hände um den Hals. »Die Hämatome – ich glaube, die stammen von ihm, von Michele.« Sie blickt ihm fest in die Augen.
»Das soll wohl ein Scherz sein?«
»Schön wär’s, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich nicht irre. Sie müssen unbedingt die Liste der Anrufe von jenem Abend auftreiben. Michele bestreitet, an jenem Abend bei mir gewesen zu sein. Und ich kann ihn nicht mit meinen Vermutungen konfrontieren, wenn mir die Beweise dafür fehlen. Niemand will mir zuhören. Funi, helfen Sie mir wenigstens.« Sie fasst nach seinen Händen, ohne ihren Blick von ihm zu lassen.
Funi: »Ich bin bereit, Sie zu unterstützen, Frau Kommissarin. Ich weiß nicht, wohin Sie dieser Weg führen wird, aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht. Lassen Sie mir etwas Zeit, ich habe immerhin einen Fall zu klären, wie Sie wissen. Aber ich verspreche, dass ich Ihnen helfen werde.«
»Danke, Funi. Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Also, die Liste aller Anrufe von allen Telefonen. Inklusive dem Nokia, das sie mir beschlagnahmt haben. Und ich helfe Ihnen dafür bei Ihren Ermittlungen.« Sie lächelt.
»Okay, so machen wir es.« Aber er ist alles andere als guter Dinge.
81
»Du hast meinen Kaktus eingehen lassen. Das wäre ja wirklich keine große Sache gewesen, ihm ab und zu etwas Wasser zu geben.«
»Bist du ganz sicher, dass er hinüber ist?«, frage ich, und im selben Moment wird mir klar, dass sie recht hat. Ich nehme den Kaktus genauer unter die Lupe. Was einmal ein dicker stachliger Ballen gewesen war, ist nun auf weniger als eine geballte Faust zusammengeschrumpft. Ich weiß, dass er hin ist, auf diese für üppige Pflanzen typische Weise: unten ausgedörrt, oben aufgequollen. Er steht schon seit Jahren starr vor meinem Zimmerfenster, vielleicht schon immer. Der Magritt’schen Domäne von Arnheim nachempfunden. Nur statt des Nestes mit den Eiern ein Kaktus. Im Hintergrund der Schlot des Heizkraftwerkes und die Bergamaskischen Berge, anstelle eines adlerförmigen Gletschers, wie es im Gemälde von René Magritte zu sehen ist.
Die Vogeleier öffnen sich, der Kaktus verfault.
»Ein Glas Wasser alle drei Wochen hätte schon genügt.«
Sie versucht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Sie ist aufgebracht und betritt mein Zimmer, ohne anzuklopfen. Von Zeit zu Zeit vergesse ich, dass dies immer noch ihre Wohnung ist. Und immer war. Selbst als ich hier als Kind noch wohnte.
»Das war ein Geschenk meiner Tante. Was soll ich ihr nun sagen?«
Du könntest einfach sagen, dass deine Tochter, die Mörderin, ihn hat eingehen lassen. Oder du sagst gar nichts. Mir wird bewusst, wie sehr meine Existenz an Dinge gebunden ist, die absolut ohne Bedeutung sind. Ein Kaktus. Ich schaue meine Mutter gleichmütig an. Am liebsten würde ich sie aus meinem Zimmer werfen. Sie versucht konzentriert, die Situation noch zu retten. »Sobald ich hier rauskomme, besorge ich dir genau den gleichen noch mal.« Mehr habe ich ihr nicht zu sagen.
»Und wann soll das bitte sein?«
Es hört sich an wie Du kommst hier doch sowieso nie raus . Sie ist über die pflanzlichen Überreste gebeugt. Dann schließt sie das Fenster und verkündet in Manier einer Rechtsmedizinerin die Todesursache.
»Der Luftzug war sein Todesurteil. Du lässt das Fenster ständig geöffnet, deswegen zieht es dauernd. Kakteen reagieren empfindlich auf Durchzug.«
Und ich reagiere empfindlich, wenn das Fenster ständig geschlossen bleibt. Ich muss es jeden Tag für mehrere Stunden geöffnet lassen. Ich muss atmen können. Ich habe nicht daran gedacht, dass er den Luftzug und die winterliche Kälte nicht vertragen könnte. Und außerdem bin ich immer davon ausgegangen, dass Kakteen gegen alles resistent sind.
Mit echtem Mitgefühl greift sie
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