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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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das war unvermeidlich, bei dem Weg, den sie eingeschlagen hat. Sie hat sich von der Last des Fleisches befreit und war zum Schluss nur noch Geist.«
    »Das nennt man Selbstmord , es sei denn, jemand hat sie gewaltsam dazu gezwungen, nicht mehr zu essen.«
    »Sie sehen die Dinge völlig verkehrt. Anna war ein wundervolles junges Mädchen, sie hat die himmlischen Gesetze nicht gebrochen. Sie hat sich nicht umgebracht. Und niemand hat sich ihrem Willen widersetzt.«
    »Wahnsinn, Funi, der reine Wahnsinn. Sie hat die Grenzen herausgefordert, sie hat versucht, neue Daseinsformen zu erkunden. Selbstbestätigung, Rebellion, Herausforderung. Überheblichkeit ist eine Sünde. Das hätten Sie ihr entgegnen sollen.« Sie ist außer sich vor Wut.
    »Dazu war keine Gelegenheit.« Funi schüttelt den Kopf, und ihm wird klar, dass er bestimmte Antworten nie griffbereit hatte, wenn es darauf ankam.
    »Und was haben Sie stattdessen gemacht?«, fragt Maria Dolores, den Blick ihres ehemaligen Kollegen suchend, der auf die Tapete des Wohnzimmers starrt, in dem Versuch ihr auszuweichen.
    »Wer hat sie unter den Kreuzen begraben?«, fragt der Polizeibeamte. Pina Maggi hat gerade eine alte Frau fertig angekleidet, die vom Aufstehen nichts wissen will.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Aber das waren Sie doch, geben Sie es einfach zu!«
    »Ich kann Ihnen da wirklich nicht weiterhelfen.« Nun staubt sie ab, wo es etwas zum Abstauben gibt. Und auch da, wo selbst der Schatten eines Staubkorns fehlt, weil dort bereits an jedem einzelnen Tag des Jahres abgestaubt wurde.
    »Aber irgendjemand muss doch dieses Grab ausgehoben haben, muss den Körper, oder was davon noch übrig war, genommen, in das Loch geworfen und mit Erde bedeckt haben. Wieso sagen Sie mir nicht einfach, was Sie wissen?«
    »Weil ich nichts weiß.«
    »Ich würde das nicht Selbstmord nennen.«
    »Nein?« Funi wird hellhörig.
    »Nein. Die Variablen sind anders: unterlassene Hilfeleistung? Mittäterschaft? Abgesehen vom Tatbestand der Störung der Totenruhe.«
    »Die Störung der Totenruhe scheint mir vielleicht der einzige konkrete Belastungspunkt, aber der Rest …« Er fürchtet ihre Reaktion nicht, und auch das ist etwas Neues.
    »Aber es handelt sich doch eindeutig nicht um einen freiwilligen Tod. Es ist vielmehr ein Zeichen. Ein stummes, aber eindeutiges Zeichen. Darüber sind wir uns doch einig, oder nicht?«
    »Ja«, bestätigt Funi, und denkt gleichzeitig, dass das eher ein weibliches als männliches Konzept ist.
    »Gut. Wusste die Frau, mit der Sie gesprochen haben, dass das Mädchen krank war?«
    »Sie betrachtet eine extreme Schlankheit nicht als Krankheit. Sie sah darin nichts Schlimmes, im Gegenteil. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf entsprechende Stellen in der Bibel«, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
    »Dachte ich’s mir doch. Aber aus dieser Perspektive ist das Fasten etwas, das man nicht öffentlich zur Schau stellt. So wie Gutes tun, Almosen geben oder Ähnliches. Das sind Taten, die im Stillen vollzogen werden, ohne dass man jemandem davon erzählt. Ansonsten sind sie wertlos. Das ist nichts weiter als Exhibitionismus, Hochmut eben.« Eine Sünde. Todsünde sogar. Etwas, womit sich Maria Dolores, in einem anderen Zusammenhang, ziemlich gut auskennt.

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    »Dort sind wirklich alle durchgeknallt. Vergiss es, reden kannst du da mit niemandem. Manche sind aus psychiatrischen Kliniken entlassen worden und schon seit Jahren dort. Menschen ohne festen Wohnsitz. Einige auch aus Mailand, um die sich vorher Bruder Ettore gekümmert hat. Von anderen weiß man nicht mal, woher sie stammen.« Er starrt auf eine Liste mit Vornamen – bei einigen steht daneben ein Geburtsdatum, ein Familienname, bei anderen nur Spitznamen.
    »Sicher, wir könnten von allen die Identität feststellen lassen«, fährt Funi fort. »Aber wozu? Um ihre Namen zu kennen. Aber wenn sie mental nicht gesund sind? Was fangen wir dann mit ihnen an?«
    Nina Parisi mustert ihn. »Sag mal, suchst du jetzt eigentlich einen Mörder, einen Vergewaltiger, einen Dealer oder einen Serienkiller? Du führst dich auf, als ob einer von denen die ganze Gegend unsicher machen würde. Du suchst an der falschen Stelle. Meiner Meinung nach solltest du mal besser diesen Arzt festnageln.«
    »Willst du wissen, wo er abgeblieben ist?« Ironisch genug, um ihr Interesse zu wecken. Sie nickt. »In Luxemburg.«
    »Schön da. Auf Urlaub?«
    »Er arbeitet dort ebenfalls als Arzt. Ich muss aber erst herauskriegen, in

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