Ich will dir glauben
trägt sie Handschuhe, doch Funi macht keinerlei Anstalten, ihr die Hand zu reichen. Sie kommt ihm zuvor. »Seien Sie unbesorgt, er hat sich nicht übergeben. Wir sind mit dem Wagen der Sizilianer gekommen.« Was natürlich so etwas wie eine Garantie bedeutet.
Von draußen dringen die seltsamsten Geräusche herein. Noch einmal bemüht sich die Frau um eine Erklärung: »Das sind sie«, sagt sie zum Hauptkommissar. »Man will ihnen nicht erlauben, in der Ausfahrt stehen zu bleiben. Aber es ist ja nur für eine Sekunde.«
»Es geht nicht um wollen. Es ist verboten, vor dem Präsidium zu parken. Die Ausfahrt muss frei bleiben. Warten Sie kurz, ich sehe mal nach.«
Was ihn draußen erwartet, ist eine Art Lastwagen, an dem seitlich drei Kreuze aufgemalt sind. Am Lenkrad des Wagens sitzt ein korpulenter Fahrer, auf dem Gehsteig daneben stehen Anselmo und zwei weitere Männer, die den wachhabenden Polizisten zu überzeugen versuchen, dass ihr Fahrzeug ausgerechnet hier und nirgendwo anderes zu parken hat.
»Wer sind die denn?«, fragt der Hauptkommissar Maggi, die ihn inzwischen eingeholt hat.
»Meinen Sie die Sizilianer?«
»Ja, die Sizilianer. Wer zum Teufel sind sie?«
»Der Mann am Steuer ist Anselmos Vater. Er wohnt in Caltagirone. Wissen Sie, wo das liegt?«
»Ja, in Sizilien«, antwortet Funi, und vor seinem inneren Auge tauchen Bilder von sizilianischen Tischlern auf, die Kreuze herstellen und mit ihren Lastwagen in ganz Italien verteilen. Aber noch immer will ihm der Sinn des Ganzen nicht einleuchten.
»Also, jetzt wissen Sie, wer sie sind.« Für Pina Maggi ist damit dieser Teil des Gesprächs beendet. »Hören Sie, ich bin nicht vorbeigekommen, um einfach mal Hallo zu sagen. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.«
»Dann kommen Sie mit«, schnaubt er. Bevor sie wieder hineingehen, bittet er einen seiner Kollegen, sich um das Fahrzeug zu kümmern: im Hof abstellen, durchsuchen, fotografieren, so lauten seine Anweisungen.
»Anselmo und Anna waren immer zusammen, das hatte ich Ihnen ja bereits schon erzählt. Eines Morgens wollte das Mädchen nicht aufstehen. Ich dachte, es ginge ihr vielleicht nicht gut und habe ihr Fieber gemessen. Aber sie hatte keine Temperatur. Also bin ich zurück an meine Arbeit gegangen. Sauber machen, ankleiden, Sie haben ja gesehen, was ich so mache, nicht wahr?«
Funi nickt.
»Dann bin weggegangen, um mich um das Mittagessen zu kümmern. Der Bäcker gibt uns immer etwas und auch der Metzger. Danach bin ich in den Garten, um das reife Gemüse zu ernten. Es war aber nicht sehr viel, das Jahr war zu kalt gewesen. Nur etwas Salat und Kohl. Als ich wieder ins Haus zurückkam, war Anna weg. Ich habe nach Anselmo gesucht, aber auch er war wie vom Erdboden verschluckt.« Die Frau hält inne.
»Und dann?« Während Funi die Antwort abwartet, tritt ein Kollege in seine Bürotür und bittet darum, ihn sprechen zu dürfen. Funi bedeutet Pina Maggi, einen Moment zu warten, und fordert den Polizisten auf, sein Anliegen direkt vorzutragen. »Die Sizilianer da unten proben den Aufstand. Sie haben eine komplette Kirche in ihrem Lastwagen und hindern uns an unserer Arbeit. Was sollen wir machen?«
»Dann lasst sie einfach in Frieden. Wir haben sowieso keinen Durchsuchungsbeschluss. Ich bin in einer Sekunde bei euch. Wo ist eigentlich Corsari?«
Die Antwort fällt überraschend aus. »Er hat seine Kündigung eingereicht.«
Funi verdreht die Augen und wendet sich wieder an Pina Maggi. »Fahren Sie bitte fort.«
»Jemand sagte mir, dass Anna gestorben sei. Und dass Anselmo Annas Körper weggebracht habe, zum Friedhof, auf den Hügel.«
113
Pina Maggi war Anselmo an jenem Tag gefolgt. Halb rennend war sie den Fußweg zur Wallfahrtskirche von Civate hinaufgeeilt. Sie war dabei niemandem begegnet. Es regnete in Strömen, und jeder normale Mensch saß zu Hause beim Mittagessen. Sie hatte einen Beutel mit Kleidern für das Mädchen bei sich, in der Hoffnung, sie könnte noch am Leben sein. Und Handtücher, um sie trockenzureiben.
Anselmo hatte einen großen Vorsprung. Er hatte bereits den Gipfel erreicht. Als sie ihn schließlich erreichte, konnte sie in seinem Gesicht die Regentropfen nicht von den Tränen unterscheiden. Der Junge hatte Anna über seine Schultern gehievt und war so eine Stunde lang seinen persönlichen Weg nach Golgatha gegangen, mit seinem Kreuz und seiner Freude.
»Ich habe versucht, ihn zur Vernunft zu bringen. Aber ich hatte keine Chance. Er begann ein Loch
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