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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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von denen nun etwa sechzig als Nebenkläger auftreten. Jeder einzelne trägt dafür seine Zeugenaussage vor, die, bei Licht betrachtet und anhand der Überprüfung der Fakten, Anschuldigungen von besonderer Schwere beinhalten.
    Auf der Liste der Beschuldigten stehen die Namen aller Mitarbeiter, die an den Behandlungen beteiligt waren und denen ein dem Gesundheitsministerium unbekannter Therapieansatz zugrunde liegt, initiiert von einem gewissen Doktor Meda. Nach Aussage der Staatsanwaltschaft wurde die angewandte Behandlungsmethode ohne eine entsprechende akademische Qualifikation entwickelt, die in Italien zur Berufsausübung nötig ist sowie ohne glaubwürdiger medizinischer oder wissenschaftlicher Grundlage. Die Anschuldigungen der Nebenkläger lauten daher auf Missbrauch der Berufsausübung und Betrug in Dutzenden Fällen.
    Die Mitarbeiter müssen nun zu der Frage Rede und Antwort stehen, inwieweit sie über die fehlenden fachlichen Voraussetzungen von Doktor Meda Bescheid wussten. Erst dann wird man mit Gewissheit sagen können, ob sie sich wirklich über den Einsatz der Behandlungsmethoden im Klaren waren. Zudem besteht der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs der Patienten. Eine Anschuldigung, die nicht ohne Weiteres zu beweisen, aber auch schwer zu widerlegen sein wird – angesichts der zahlreichen Zeugenaussagen sowie der Tagebuchaufzeichnungen von Giulia Brivio und Anna Tura, der beiden an Herzversagen gestorbenen Patientinnen. Die Internetseite mit dem Online-Forum wurde bereits aus dem Netz genommen und die Klinik geschlossen, um weitere Straftaten zu verhindern. Der ermittelnde Staatsanwalt wird die Untersuchungen in Kürze abgeschlossen haben …

110
    Sie dreht das Radio ab. Magersüchtige können ganz schön lügen, das ist ja allgemein bekannt, denkt sie bei sich. Die Krankheit macht einen automatisch zum Lügner. Wie sonst konnte man sich gegen die Angriffe von außen schützen und verheimlichen, was man da tat? Jemand, der an Magersucht litt, war in seinem Innersten grausam, doch der Außenwelt verzieh man nicht die kleinste Bosheit. Sie wusste das allzu gut. Lügen kostet einen in diesem Moment nichts, wird zur spontanen Handlung, einer Art Selbstschutz. Die einzige Rettung. Man konnte einfach nicht anders, als die Unwahrheit zu sagen. Maria Dolores hat das Bedürfnis, mit Funi zu reden. Sie greift nach dem Telefon und wählt seine Nummer. Aber sein Handy ist ausgeschaltet.

111
    »Du kommst wirklich aus einer seltsamen Gegend«, flüstert Achille Funi Nina ins Ohr. »Die ganze Brianza, mit dem Comer See und all den Sakralbauten drumherum.«
    »Finde ich auch«, seufzt sie.
    Sie liegen umschlungen nebeneinander im Bett, eingerollt in eine Decke. Das halbdunkle Schlafzimmer in Funis Mailänder Wohnung zeigt zum Hof. Es ist ein Altbau, ganz in der Nähe der Scalo Farini. Durch die Ritzen der heruntergelassenen Jalousien sieht man ab und zu eine Silhouette auf der Galerie vorbeihuschen, die in einer der Wohnungstüren verschwindet, dann kehrt wieder Stille ein.
    »Ich denke gerade an diese Leute in Civate. Der Ort kam mir vor wie ein Flüchtlingscamp. Als ob all diese Menschen vor etwas oder jemandem geflohen wären.« Er streicht ihr zärtlich über die Wange.
    »Ich bin dort geboren, den See immer im Blick. Aber irgendwann habe ich es dort nicht mehr ausgehalten.«
    »Und so bist du nach Mailand gezogen.«
    »Mir gefällt das Gefühl der Heimatlosigkeit. Aber jedes Wochenende zieht es mich wieder nach Hause.«
    »Ich könnte mir schon vorstellen, am Comer See zu leben. Vielleicht nicht alleine. Ich habe den Eindruck, ich bin selbst wie ein See, still und unbeweglich.«
    Nina setzt sich auf, schaut ihn von oben an und fragt ihn: »Findest du nicht, dass du mit dieser Vergani ein wenig zu viel Zeit verbringst?« Sie ist in ihren Gedanken schon einen Schritt weiter.
    Sie hat nicht ganz unrecht, aber Funi sucht nach einer anderen Antwort. »Der Fall ist fast abgeschlossen, ich suche nach Erklärungen, und sie hat selbst Erfahrungen mit der Magersucht gemacht, als sie noch jünger war.«
    Als sie noch jünger war. Schon wieder so eine taktvolle Bemerkung. Nina Parisi möchte einhaken, doch Funi begreift, dass es nun Zeit ist einzugreifen. Er packt sie und dreht sie mit dem Rücken zu sich auf die Seite. Er streichelt sie und nähert sich ihr langsam. Ohne Hast dringt er von hinten in sie ein. Langsam, er hat alle Zeit der Welt.

112
    Pina Maggi sitzt erneut im Mailänder Polizeipräsidium. Auch dieses Mal

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