Ich will doch nur normal sein!
bloß schaffen. Meine Therapie und alles was jetzt drum herum zu regeln und zu koordinieren ist. Es muss klappen. Wir haben hier unten ja auch, was völlig neu ist, Freunde, die alle ihre Hilfe anbieten, was ich kaum fassen kann. Aber das ist etwas, was in 4 Wochen so richtig aktuell wird und bis dahin muss ich sehen, dass ich hier fertig bin mit meiner Therapie. Ich habe Angst, ich schaffe es nicht, weil es mir zur Zeit wirklich nicht gut geht. Aber es sind ja immerhin noch 4 Wochen, die ich mich hier auf meine Therapie konzentrieren kann. Und das werde ich tun, denn es muss mir besser gehen, um alles bewältigen zu können und nicht im Chaos zusammenzubrechen. Denn, wenn es mir nicht gut geht, dann kann ich nicht organisieren, dann richte ich nur noch ein einziges Chaos an und dann folgt darauf ein Zusammenbruch aus lauter Verzweiflung über dieses Chaos.
Jetzt muss ich aber den Umzug erst mal weit weg stellen in meinem Kopf und mich auf das Wichtige hier konzentrieren.
Gestern war der 13.4.2004
Endlich geht es weiter mit Therapie. Dabei weiß ich gar nicht mehr, wo ich stehe, es ist nichts da, alles gut verstaut, nur, dass es mir einfach mal wieder schlecht geht. Ich wage mich die ganze Zeit nicht zu schlafen, weil ich Angst habe vor den Albträumen und wenn ich dann munter bin vor den Flashbacks und der schrecklichen Angst. Sie schnürt mir den Hals zu und ich fürchte mich wie ein kleines Kind allein im finsteren Wald, aber noch viel mehr. Ich fürchte mich vor dem, was mir damals passiert ist und auch, wenn ich es mir immer und immer wieder versuche, klar zu machen, dass es früher passiert ist, so ist doch die Angst so real und greifbar, dass ich dann denke, ich muss weglaufen und weiß nicht wohin, zu wem. Es war doch nie jemand da und wer hätte mir schon geglaubt und wer überhaupt hätte es wissen wollen? Da war niemand, der mir geholfen hätte.
Sagen hätte ich sowieso nichts dürfen, sie hätten mich umgebracht und es war sowieso alles so schlimm, dass ich immer nur gehofft habe, Mutti wird es morgen oder übermorgen merken und mir helfen – immer habe ich so gedacht und gehofft und dabei meinen kleinen Teddy festgehalten und er hat mich beschützt – na ja, eher getröstet. Denn trösten konnte mich keiner, es wusste ja niemand, was geschah. Dafür sorgte ich ja selbst, indem ich schwieg und alles, einfach alles dafür tat, dass mir keiner etwas anmerken konnte. Heute denke ich, es ist ein Wunder, wie man als so ein kleines Kind, so eine Kraft hat, mit solcher Grausamkeit und Gewalt allein zurechtzukommen, ohne Mama, ohne Freundin – mit niemand reden, mit niemand weinen, von niemand getröstet, in den Arm genommen.
In letzter Zeit geht es mir oftmals so, dass ich einfach nur noch das Bedürfnis habe, gehalten zu werden, ganz festgehalten und getröstet – sicher, in guten Händen. Ich weiß noch, es gab in der letzten Zeit hier eine Nacht, ich hatte einen schrecklichen Flashback und danach Angst und wusste nicht, wohin und ich habe geweint und geweint und alle schliefen. Ich bin zur Nachtwache, es war ein Pfleger – ich konnte ihn doch nicht bitten, mich einfach mal in den Arm zu holen und festzuhalten. Er sagte mir aber, dass Schwester Margret unten auf Station Nachtwache hat und rief sie hoch und sie kam auch sofort und ich glaube, ihr Pullover war dann, nachdem ich mich ausgeheult hatte, und sie mich dabei im Arm hielt, klatschnass von meinen Tränen.
Mit 51 Jahren heule ich nachts und brauchte dringend jemand, der mich in den Arm nimmt und beruhigt und tröstet, damit ich wieder zu mir finde, aber ich fühlte mich so klein, so hilflos, so allein und es war nie jemand da und nun mit 51 Jahren waren dies die Tränen und die Not von damals. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter mich einmal so getröstet oder in den Arm genommen hat. Ich kann mich nur an meckern erinnern. Dass sie mich geschlagen hat, kann ich mich auch nicht erinnern, aber als ich letztes Jahr bei ihr in Leipzig zu Besuch war, da hat sie mich regelrecht mit dem Teppichklopfer (es war genau der alte Teppichklopfer, den wir früher hatten) zusammengedroschen, bis ich auf dem Boden in der Küche gehockt habe und gewimmert habe wie ein kleines Kind. Sie hatte Wut, maßlose Wut auf mich. Ich kann diese Wut nicht begreifen. Es gab keinen Grund, mich so zu schlagen und ich war ja auch nicht mehr klein, ich war erwachsen, verheiratet und zum ersten Mal seit über 10 Jahren wieder bei ihr zu Besuch.
Es geht mir jetzt
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