Ich will doch nur normal sein!
Arbeit. Später klingelte es an meiner Tür. Mein Kollege stand draußen und rief mich. Ich war erschrocken. Verhielt mich ganz still. Er durfte nicht mitbekommen, was hier los ist. Es war einfach zu peinlich und ich schämte mich fürchterlich und ekelte mich vor mir. Immer habe ich es gehasst, wenn jemand besoffen war und eine Fahne hatte und nun, was habe ich getan? Wie tief bin ich gesunken, um jetzt hier so zu liegen, nicht fähig aufzustehen, weil ich noch besoffen bin.
Mein Kollege rief einmal und noch einmal, dann ging er wieder. Ich habe dann versucht, mich einigermaßen in Ordnung zu bringen und für den Tag einen Arzt aufgesucht und mich krankschreiben lassen. Ich habe die Wahrheit gesagt, er hätte sowieso den Alkohol gerochen und er kannte mich. Es war peinlich und ich schäme mich heute noch dafür, aber es war mir eine Lehre bis heute.
Noch einmal werde ich mir nicht mit Alkohol zu helfen versuchen. Ich habe nie wieder mehr, als nur ein Glas Wein getrunken und so wird es bleiben. Es hat nie jemand etwas von diesem Ausrutscher erfahren außer meinem Arzt und jetzt hier im Buch. Ich bin froh, dass ich sofort zur Vernunft gekommen bin und mich der Alkohol dermaßen abgestoßen hat. Wäre das nicht so gewesen, wer weiß, wo ich dann gelandet wäre.
Aber so waren es nur zwei Tage meines Lebens – zwei Tage für die ich mich schäme, die sich aber nie wiederholen werden.
Ja, das war sie – meine erste Ehe. 7 Jahre verlobt, 2 Jahre verheiratet, dann geschieden. Und ich denke, ich habe massig Glück gehabt, denn der nächsten Freundin meines Ex ging es nicht besser und ich kann sie nur bedauern und hoffe, sie hat den Absprung eher geschafft als ich. Mich musste man wirklich mit Füßen treten und verprügeln, damit ich kapiere, dass ich da weg muss.
23.8.2002
Nach meinem letzten Klinikaufenthalt war ich nun acht Wochen zu Hause, es sollten acht Wochen Therapiepause werden. Es war sehr schwer ich habe gekämpft, um diese Zeit durchzustehen und mich nicht eher wieder in der Klinik einfinden zu müssen. Ich wollte das einfach schaffen, diese Zeit durchzuhalten.
Mein Arzt gab mir seine Telefonnummer und wir vereinbarten für jede Woche einen Tag und Uhrzeit zum Anrufen. Ich hätte mich ja von mir aus nicht gemeldet, egal wie schlecht es mir auch gegangen wäre. Doch so habe ich jede Woche auf den Anruf gewartet, konnte ihn kaum erwarten, es war so wichtig, wenigstens ein bisschen reden zu können und nicht alles in mir vergraben zu müssen, wodurch es mir dann immer schlechter ging. So war es schon kaum zum zurechtkommen, obwohl ich das nie zugegeben hätte.
Mein Mann war während dieser Zeit, in der ich zu Hause war, in der Klinik und wurde wegen Angstzuständen und Depressionen behandelt. Er hatte einen sehr guten Therapeuten. Ich habe diesen Mann gesehen und sofort gedacht, dass es gut für meinen Mann wäre, von ihm behandelt zu werden. Und so bat ich auch darum.
Mein Mann wurde von ihm behandelt und es funktionierte so gut, wie in den vielen letzten Jahren nicht. Der Therapeut erreichte meinen Mann gut und konnte prima mit ihm arbeiten, so dass mein Mann in den 7 Wochen, die er stationär war, sehr viel für sich erreichen konnte.
Ich bin froh, dass das so gut geklappt hat, denn es war nur die Pause, in der mein behandelnder Arzt in Urlaub und zu einer Schulung war. Ich wollte diese Zeit nicht in der Klinik bleiben, sondern sehen, wie ich draußen zurechtkommen kann.
Die erste Woche war ich noch mit meinem Mann zusammen zu Hause und da haben wir versucht, es uns schön zu machen. Es war aber für beide anstrengend. Es war nur ein gegenseitiges Rücksicht nehmen aufeinander. In der Hinsicht müssen wir sowieso noch viel lernen.
Dann ging mein Mann in die Klinik. Die erste Woche konnte ich es genießen, allein zu Hause zu sein, mit meinen Tieren zu schmusen, den Haushalt mal wieder von oben bis unten zu durchforsten. Ich hatte mir sehr viel vorgenommen, doch die Luft war so schnell raus und dann war es nur noch eine einzige Quälerei. Wäre unser Hund nicht gewesen, ich hätte mich keinen Schritt vor die Tür bewegt, aber so musste ich. Ich habe es dann ständig getan, immerzu zwischendurch mal raus, damit der Kopf wieder etwas klar wird. War ich wieder eine Weile zu Hause, dann ging es wieder rund, alles war wieder da und ich allein – keinen zum Reden.
Ich war allein mit den Tieren – mit denen konnte ich wenigstens noch schmusen und mich so etwas trösten. Ich habe oft und viel geweint.
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