Ich will doch nur normal sein!
nette ehemalige Mitpatientin aus dem vorhergehenden Zimmer, sie fragt jeden laut im Flur, ob er mich nachts schreien gehört hat und als ich durch den Flur gehe, bringt sie es sogar fertig, als ich vorbei gehe, Eva zu fragen, ob sie denn schlafen könne, wenn ich nachts so schreie. Ich habe mich umgedreht, die Frau angesehen, konnte aber nichts sagen. Am liebsten wäre ich weggelaufen, aber ich war auch wütend wegen der Dreistigkeit, über jemanden zu reden, der gerade vorbeigeht.
Es ist schon toll, was es für Leute gibt. Ich weiß nicht, was Eva geantwortet hat, das habe ich nicht gehört. Ich habe mich so über die Unverschämtheit dieser Frau geärgert, sie tut gerade so, als würde ich aus lauter Spaß nachts schreien und die Leute munter machen damit.
Was soll ich sagen, da muss ich wohl durch, ich bin ja selbst schuld. Wer nachts schreit und die Anderen nicht zur Ruhe kommen lässt, über den muss man eben tratschen, wie über einen bunten Hund. Im Zimmer habe ich keine Ruhe durch Eva und außerhalb des Zimmers bin ich nur Gesprächsthema der Mitpatienten – ich habe mich gefühlt, als wäre ich schuldig und ich war es ja auch, weil ich nachts durch mein Schreien die Anderen im Schlaf störe. Und nun muss ich eben Eva am Tag aushalten und nachts damit klarkommen, dass ich jede Nacht geweckt werde, sobald ich schreie und das ist meist kurz nach dem Einschlafen der Fall. Ich kann also nachts nicht schlafen und am Tag nervt mich Eva. Ich kann nicht mehr und ich kann nichts sagen.
Ich habe einfach nicht das Recht dazu – ich störe doch selbst so sehr!
Das Einzelgespräch bei Herrn Dr. S. war für mich ein völliges Durcheinander, ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich hatte nach dem Umzug früh in das andere Zimmer gestern das Gefühl, gehabt, bestraft zu werden, weil ich Frau M. gestört habe. Sie hat mich auch so behandelt, wie ich es eben wert bin. Nicht beachten, besser noch – verachten, übersehen – also schuldig gesprochen. Der Umzug ins andere Zimmer war diesmal für mich wie eine Schande. Es war anders als sonst.
Oft musste ich schon verlegt werden, weil ich nachts so schreie, aber nie hat mich jemand so behandelt. Meist kam ich mit den Anderen sehr gut aus und wir haben es bedauert, nicht mehr in einem Zimmer sein zu können. Doch es war immer klar, ich störe. Aber ich bin nie so verachtend behandelt worden, wie dieses Mal. Ich fühlte mich bestraft.
Ich kam mir vor, wie damals als kleines Mädchen, als meine Mutti mich einfach so weggegeben hat. Weggeschickt, bestraft, ausradiert, vergessen, nicht mehr da. Es ist schon so, ich bin ja auch Schuld daran gewesen, dass Vati in den Knast kam und ich ihn der Mutti weggenommen habe. Er hat ja immer gesagt, er hat mich viel lieber als Mutti, ich wollte das nicht. Es war nicht richtig. Ich habe aber nicht gewagt, Mutti zu sagen, dass er mich lieber hat als sie. Ich wollte ihr doch nicht weh tun. Also habe ich ihn ihr weggenommen. So habe ich immer gedacht. Er war ihr Mann und nicht mein Mann, sondern mein Stiefvater. Ich war schuld daran, weil ich es Mutti nicht gesagt habe. Ich musste es Vati ja auch versprechen, dass ich nicht verrate dass er mich viel lieber habe als Mutti. Aber ich habe Mutti viel lieber gehabt, als Vati und ich habe mich geschämt und ein schlechtes Gewissen gehabt, wegen dem Geheimnis, was ich versprechen musste. Ich wollte nie, dass er mich lieber hat, ich wollte das alles nicht, aber was sollte ich denn machen?
Ich hatte ein schlechtes Gewissen und ich habe mich geschämt, weil ich es versprochen hatte, nichts zu verraten. Er hat gesagt, Mutti wäre dann ganz traurig und er käme ins Gefängnis, wo er doch nichts dafür kann, weil er mich viel lieber hat. Ich wollte Mutti nicht wehtun, wollte sie nicht enttäuschen.
Ich war 13 Jahre alt, als ich es verriet und musste deswegen bestraft werden. Also, weg mit ihr! Die ist schlecht!
Wenn ich nicht Schuld gewesen wäre, wäre ich dann bestraft worden?
Wenn ich nicht schuld gewesen wäre, hätte meine Mutti mich dann weggegeben? Hätte ich dann daheim bleiben können?
Jetzt, wo ich 50 Jahre alt bin, sagt Mutti mir, dass sie mich lieb hat. Damals hat sie nur gemeckert, immer habe ich alles falsch gemacht, nie war etwas richtig. Heute sagt sie, ich war ein sehr braves Kind. Super – und so ein braves Kind gibt man von heute auf morgen einfach weg und fragt nie wieder danach. Löscht es einfach aus seinem Leben aus. Macht man das mit braven Kindern?
Weil ich jetzt im
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