Ich will doch nur normal sein!
und verkrieche mich in mein Bett in der Hoffnung, die Tavor hilft mir, es aus dem Kopf zu bekommen. Ich konnte mich kaum noch rühren im Bett, so weh tat mir alles. Die Tavor brachte langsam Entspannung und ich bin eingeschlafen.
Letzte Nacht war ich ruhig, habe nicht geschrieen, habe tief und fest geschlafen. Aber heute früh waren wieder diese schrecklichen dumpfen Kopfschmerzen da, besser gesagt, sie sind immer noch da – das heißt, es ist noch nicht zu Ende, dabei bin ich schon so kaputt. Ich kann nicht noch mehr aushalten, will nicht noch mehr aushalten müssen. Ich will meine Ruhe haben, einfach nur meine Ruhe.
Ich habe gemalt, wie immer, wenn ich nicht weiß, wie ich klar kommen soll und nicht reden kann darüber, dann male oder schreibe ich. Meist aber habe ich gemalt. Ich habe das Bild gemalt und danach wurden die Kopfschmerzen stärker. Es hat nicht geholfen, dass ich gemalt habe. Ich habe auch nicht das gemalt, aber für mich ist es in dem Bild drin. Wem soll ich denn erzählen, was los war damals – das geht nicht. Ich habe es ja nicht einmal geschafft, es auf das Bild zu bringen, was passiert ist. Nun schreibe ich es hier und denke, das kann ich nicht tun, es ist zu eklig und ich schäme mich dafür, aber ich schreibe es, weil es wichtig ist, dass es aufgeschrieben wird. Weil es wichtig ist, es loszuwerden und nicht allein damit leben zu müssen, es bringt mich sonst um. Und es kann nicht sein, dass etwas, was mir angetan wurde und vielleicht auch jemand anderem angetan wird einfach verschwiegen wird. Es soll uns ja zum Schweigen bringen. Aber je länger wir schweigen, je länger wird es passieren – wir müssen reden, damit das, was sich kaum einer vorzustellen wagt, das es passiert auch an die Öffentlichkeit kommt, damit es verhindert wird, das es so weitergeht und viele so leiden müssen.
Das ist es. Der Hund und Opas Freund zusammen. Opas Freund steckte mir seinen Penis in den Mund und dann war der Hund unten in mir. Es tat weh, schrecklich weh. Ich konnte nicht schreien, hatte den Mund voll. Zwischendurch schlug er mich mit dem nassen Handtuch, das tat auch sehr weh. Ich konnte nicht schreien, hatte den Mund voll und ich habe geweint. Opa war immer stolz darauf, auf die Idee mit dem nassen Handtuch gekommen zu sein. Er wusste, Schläge mit dem nassen Handtuch tun sehr weh, es gibt aber hinterher keine blauen Flecken, keine Striemen. Man kann also hinterher nichts sehen. Es hätte auch keiner was gesehen. Zu Hause hat keiner danach geguckt und sonst habe ich aufgepasst, dass ich mich nicht zeigen muss, weil ich immer dachte, jeder sieht mir an, was ich für eine bin, wie dreckig und eklig ich bin.
In der Schule im Sport habe ich immer lange Sportsachen getragen und die meist schon drunter getragen, so dass ich mich nicht umkleiden musste vor den anderen aus meiner Klasse.
Nach dem Ganzen, was da passiert war, haben sie mich dann in der Ecke draußen mit dem Gartenschlauch mit eiskaltem Wasser sauber gespritzt. Das fanden die Zwei auch lustig. Das war der letzte Flashback und mir tut jetzt noch der Unterleib weh, so als wäre gerade dieses verdammte Hundevieh in mir gewesen. Ich möchte es raus schreien, was passiert ist, schäme mich aber deswegen und schweige und behalte es in mir. Ich habe das Gefühl, ich werde verrückt, ersticke daran. Der Flashback ist zwar jetzt vorbei, aber ich habe immer noch das Gefühl, als wäre ich 7 oder 8 Jahre alt, habe den Penis im Mund, habe Angst, er stößt mir durch den Kopf und er spielt dabei mit der Pistole auf mir herum. Mal setzt er sie da an und drückt ab, mal dort und ich habe immer Angst, weil er immer so tut, als wäre sie geladen. Der Lauf der Pistole auf der Brust, dem Bauch, dann tiefer, wieder zurück und ab und zu mal das verdammte „Klick.“
Ich habe Angst, Riesenangst und dann wieder denke ich, schieß endlich richtig, dann bin ich hier weg und es tut mir nichts mehr weh, nichts ist mehr eklig und ich müsste auch nie wieder Angst haben.
Diese ganze Erinnerung verfolgt mich nun schon seit gestern und die Kopfschmerzen sind heute auch da und ich denke, ich kriege alles wieder in den Kopf, kriege es nicht los. Es wird wieder so da sein, als würde es gerade passieren. Ich habe Angst, ich drehe durch, werde einfach so verrückt, weil ich das nicht aushalten kann. Gestern war ich schon so zerschlagen und fertig davon. Das nimmt mir die Kraft, die ich sowieso kaum noch habe. Damals – heute. Heute – damals. Es ist alles durcheinander.
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