Ich will doch nur normal sein!
Es ist, als wäre es Eins, als wäre ich dort und als wäre ich so weh überall davon wie damals.
Diese verdammten Kopfschmerzen machen mir Angst, weil sie ein Zeichen für einen Flashback sind und dann ist es ganz richtig da, wenn der Flashback da ist. Es ist die Hölle, ich will nicht wieder einen Flashback haben, ich will es nicht wieder erleben und spüren müssen. So ist es zwar auch da, aber ich bin auch da – extra, nicht mittendrin. Mittendrin ist furchtbar und ich wäre lieber tot, als wieder und wieder dieses Schlimme durchzustehen. Es war grauenvoll, eklig und ich schäme mich so sehr dafür.
30.8.2002
Heute habe ich das Bild und das, was ich geschrieben habe, Herrn Dr. S. gezeigt und lesen lassen. Ich hatte Angst davor und wusste lange nicht, ist es richtig oder nicht richtig. Will ich das oder will ich das nicht, dass er weiß, was damals passiert ist. Oh, ich hatte verdammte Angst, er ekelt sich vor mir und verachtet mich deswegen. Es war schwierig, aber ich habe es geschafft, das Bild und was ich aufgeschrieben habe, ihm zu geben. Wenn ich das jetzt lese, dann kommt es mir so vor, als wäre es eine Ewigkeit her, dass ich das Bild gemalt habe. Ich habe es so weit weggeschoben, damit ich es aushalten kann. Nun ist es wieder weit weg und ich spüre es nicht mehr. Ich bin wieder taub, mein Kopf dumpf, wie Watte. Es kommt mir nicht vor, als wäre es diese Woche alles passiert, es kommt mir vor, als wäre alles ganz weit weg und eine Ewigkeit her. Ich habe kein Zeitgefühl – es passiert zu viel und zu schnell hintereinander, so dass ich es nicht ertragen und kaum verkraften kann. Immer wieder habe ich gedacht, ich will nicht mehr leben, kann nicht mehr leben. Ich bin eklig. Ich bin dreckig.
Das Gefühl durchzudrehen, einfach irre im Kopf zu werden, wird immer stärker. Manchmal schlage ich meinen Kopf gegen die Wand und hoffe, es hört auf, dieser Druck, diese Kopfschmerzen. Oft schneide ich mich mit einer Rasierklinge in die Arme. Ich schneide inzwischen immer mehr und immer tiefer. Am Anfang hat mir das Schneiden geholfen, es hat mir die Schmerzen und den Druck weggenommen. Mir ging es dann immer richtig gut – eben einfach entspannt. Jetzt schneide ich immer öfter und die Wirkung wird immer geringer.
Wenn ich überlege, wie es dazu kam, dass ich mich das erste mal selbst verletzt habe, dann sehe ich auch, wie falsch ich damals reagiert habe. Aber das habe ich auch erst in den letzten 2 Jahren erkennen können, dass es nur dadurch passiert ist, weil ich mich nicht behaupten konnte, mich nicht durchsetzen konnte oder auch nur ein bisschen wütend sein konnte. Es war im Krankenhaus in G. Ich war den ersten Tag da und es war Mittagessen. Ich ging in den Speiseraum hinter. Es war ein schmaler Raum, auf beiden Seiten Tisch an Tisch und die Stühle standen so eng aneinander, dass man nicht aufstehen konnte, ohne dass der Rückennachbar auch aufstehen musste um Platz zu machen. Es waren immer Vierertische und zwischen zwei Tischen standen also 4 Stühle und dass so eng, dass sie Lehne an Lehne standen. Es war einfach sehr eng.
Auf der psychiatrischen Station waren Männer und Frauen – kein Problem. Aber zu diesem Zeitpunkt waren so viele auf Entzug da und es waren ungepflegte, nach Schweiß riechende und schmuddelig angezogene Typen dabei. Für mich ist Schweißgeruch und unmittelbares, also so enges Zusammensitzen ein Problem und dann sollte ich auch noch einen Platz einnehmen (die Schwester wies mir den Platz zu), der an der Wand war, also ich in der Ecke und neben mir und hinter mir nur Männer. Ich sagte der Schwester, dass ich mich da nicht hinsetzen könne, so eingeengt von Männern und bat, ob ich nicht an dem Tisch auf dem Flur oder im Zimmer essen könne. Die Schwester fragte nicht einmal wieso und sagte einfach nur: „Nein!“ Ich war nicht in der Lage zu sagen, warum ich nicht da sitzen könne und sagte nur: „Dann kann ich nicht essen.“ Die Antwort der Schwester war: „Dann eben nicht.“ Ich drehte mich herum und bin Richtung Zimmer gelaufen, es war ganz vorn am Eingang und als ich vorn war, bin ich weiter gelaufen, raus, raus in den Park.
Ich wollte weg. Nur noch weg von hier. Ich habe geweint und hatte Angst. Ich versuchte aus dem Park raus zu kommen, hoch zu dem Felsen wollte ich und einfach runter springen. Ich weiß nicht, ich habe einfach nur noch reagiert, bin gelaufen und immer wieder auf Zaun gestoßen und konnte nicht aus dem Gelände raus kommen. Ich wurde immer
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