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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina J.
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aufgeregter und hatte nur noch einen Gedanken – Fort! Fort! Fort! Ich kam nicht aus dem Park raus, irrte dort herum und dann stand da so etwas wie eine Grableuchte am Wegrand. An der Leuchte waren ringsum 4 Glasscheiben. So eine gelbe Glasscheibe zog ich heraus und warf sie auf den Weg, damit sie kaputt geht. Ich tat das einfach so – wieso, weiß ich nicht. Es passierte einfach. Dann sah ich die Glasscherben liegen und hob mir ein paar auf.
    Jetzt hatte ich etwas in der Hand, jetzt konnte ich Schluss machen. Jetzt brauchte ich mich nicht mehr so zu ärgern, weil die Schwester mich zwingen wollte, mich dort hinzusetzen – zwischen die drei Männer. Ich hatte das Glas in der Hand und ich wusste jetzt, was ich wollte – mir nie wieder etwas gefallen lassen. Ich werde jetzt Schluss machen – dann brauche ich mir nie wieder etwas gefallen zu lassen. Heute weiß ich, ich war damals wütend, sehr wütend. Ich fing an, mich zu schneiden, doch das blöde Glas war nicht sehr scharf. Aber trotzdem ich merkte, wenn ich mich schneide, dann werde ich ruhig – es beruhigte mich. Ja wirklich, es beruhigte mich, wenn ich mich verletzte und ich schnitt mich an den Armen kreuz und quer und an den Beinen, ich schnitt mich einfach darauf los und es tat gut. Ich war danach so ruhig und fühlte mich wieder besser.
    Ich weiß nicht, wie lange ich da herum saß und ruhig und zufrieden war. Auf einmal stand der Arzt der Station und eine Schwester vor mir und der Arzt verlangte, dass ich ihm die Glasscherben geben sollte. Ich wollte das nicht, ich wollte sie behalten. Aber als er ein zweites Mal sagte, ich solle ihm die Scherben geben, gab ich sie ihm brav wie ein kleines Mädchen. Dann brachten sie mich direkt runter in die Geschlossene und meine Sachen wurden auch runter gebracht. Ich bekam Medikamente zur Beruhigung und sah dann zu, wie meine ganzen Sachen durchsucht worden, ob nicht irgend etwas Gefährliches dabei war. Die Nagelfeile und meine Nagelschere wurden mir weggenommen. Es war mir egal. Ich legte mich auf das Bett, das andere Bett im Zimmer war noch leer und so schlief ich bald ein.
    Keiner hat mich gefragt, warum und weshalb ich so reagiert habe. Ich wusste es eigentlich selbst nicht. Aber heute weiß ich, ich war verdammt wütend und wusste nicht, wohin mit meiner Wut und habe sie gegen mich gerichtet. Ja, das war dann meine erste Erfahrung mit Selbstverletzung. Ich habe gemerkt, wie ruhig das machen kann, wie es Schmerzen wegnehmen kann, wie der Kopf frei wird, wie ich mich selbst bestrafen kann.
    Zwei Tage später kam ich wieder hoch auf Station und welch ein Witz, ich konnte es nicht glauben, jeder konnte sich zu jeder Mahlzeit dahin setzen, wo er wollte. Es gab keine festen Plätze. Als ich die Schwestern wieder sah, konnte ich nicht einmal mehr feststellen, welche mir verboten hatte, diese eine Mahlzeit im Flur oder im Zimmer einzunehmen. Es war soweit weg und ich erkannte die Schwester nicht einmal mehr. Meine Arme und Beine waren aber noch total zerschnitten und zerkratzt.
    Damals waren es aber noch keine tiefen Schnitte. Das Glas war auch nicht sehr scharf. Später und jetzt sind sehr tiefe Schnitte daraus geworden, um die Wirkung von damals zu erzielen und ich nehme nur Rasierklingen dazu, weil sie richtig scharf sind.
    Hätte das sein müssen? Hätte die Schwester nicht einfach erlauben können, dass ich diese eine Mahlzeit im Flur oder im Zimmer zu mir nehme? Hätte ich nicht besser reagieren können? Ich konnte damals nicht anders reagieren, mir ging es einfach zu schlecht und ich war nicht stark genug, um etwas zu fordern oder auf etwas, dass mich betraf, zu bestehen. Jetzt schneide ich mich seit 4 Jahren und komme immer noch, wenn es mir schlecht geht, nicht davon los. Wenn ich die Schmerzen in den Armen nicht mehr aushalten kann oder mein Kopf zu schlimm ist, dann kämpfe ich wirklich, um es nicht zu tun, aber schaffe es selten. Die längste Zeit, dass ich mich nicht geschnitten habe, waren 4 oder 5 Wochen. Es ist sehr schwer, davon loszukommen. Ich möchte es gern und ärgere mich immer, wenn ich wieder versagt habe. Die letzten zwei Jahre war es aber oft so, dass ich mich geschnitten habe, um meinen schlimmen Zustand auszuhalten zu können und mich nicht umzubringen.

    Jetzt bin ich seit dem 23.8.2002 wieder hier auf Station B und schaffe es einfach nicht, morgens pünktlich aufzustehen und an der Morgenrunde, dem Frühsport oder dem Frühstück teilzunehmen. Ich bin einfach nicht in der Lage dazu,

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