Ich Will Ihren Mann
mit dem rechten Ellbogen den linken Fuß berühren. Das machen wir zweimal, und dann umgekehrt: linker Ellbogen rechter Fuß. Haben alle verstanden?« übertönte sie die Musik (Debbie Harry und Blondie sangen: »Ruf mich an«. Lilian erkannte in dem Lied die Titelmelodie aus »American Gigolo«). Die Trainerin beugte sich vor und schaute durch die gespreizten Beine auf ihre Gruppe zurück. »Fertig? Und eins und zwei. Und Wechsel. Und eins und zwei. Und Wechsel.«
Sie bringt uns noch um, dachte Lilian, während sie versuchte, ihren rechten Ellbogen im Takt der dröhnenden Discomusik gegen ihren linken Fuß zu federn. Alle, die behaupteten, Discorhythmen seien lahm und passé, waren offensichtlich noch nie in Rita Carringtons Gymnastikkurs gewesen. Lilian starrte bewundernd auf Ritas hochgerecktes Hinterteil. Die Frau war die reinste Amazone, mindestens einsachtzig groß, und sie hatte einen Körper, wie man ihn sonst nur auf den Hochglanzseiten eines »Playboy«-Heftes zu sehen bekam. Tatsächlich munkelte man, Rita habe früher als Bunny gearbeitet und »Playboy« habe sie in einer Serie über die Mädchen von Chicago ganz groß herausgebracht. Das ist ein Ansporn, dachte Lilian. Jedenfalls besser als eine fette Alte in zerschlissenem Trikot, die einem weismachen will, sie habe das Rezept für eine guteFigur. Mit Rita Carrington als Kursleiterin hatte man doch wenigstens den schwachen Hoffnungsschimmer, daß einem tatsächlich diese Übungen und nicht nur ein göttlicher Gnadenakt zu einem solchen Körper verhelfen konnten. Rita Carrington richtete sich auf und schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht. Es war rotbraun und stufig geschnitten. (»Sie sieht bestimmt toll aus mit nassen Haaren«, hatte Beth geflüstert, als Rita den Gymnastikraum betrat.) Die Carrington war schon mitten in der nächsten Übung. »Und jetzt, meine Damen, Pferdchenlaufen«, sagte sie, hob die Knie an die Brust und bewegte sich auf der Stelle. »Hoch die Beine! Schön, gut so. Wir können ruhig ein bißchen ins Schwitzen kommen, meine Damen. Auf geht's, Bewegung!«
»Eins ist klar: Die kann Frauen nicht ausstehen«, flüsterte Beth neben ihr.
»Wer hatte denn die Idee?« keuchte Lilian. »Laurie hält sich prima«, bemerkte Beth und zeigte auf Davids Tochter in der ersten Reihe.
Gedankenvoll betrachtete Lilian das Mädchen. Sie verstand immer noch nicht, warum dieses Knochengestell sich ausgerechnet für Gymnastik interessierte. Aber da es zum erstenmal geschah, daß Laurie Anteil an dem nahm, was sie tat, hätte Lilian es unklug gefunden, ihr die Bitte abzuschlagen. Seit dem Wochenende hatte Laurie sie sogar mehrmals angerufen, um sich zu vergewissern, daß die Verabredung immer noch galt. Und nun stand sie mit ihren vierzehn Jahren in der ersten Reihe, verrenkte und verdrehte ihren mageren Körper und kämpfte ebenso verbissen gegen ihre eingebildeten Fettpolster wie die übrigen Kursteilnehmerinnen, bei denen Einbildung und Übergewicht leider im umgekehrten Verhältnis standen. »Du hältst dich aber auch nicht schlecht«, versicherte Lilian Beth ehrlich. Diese sah mit ihren fünfundvierzig Jahren immer noch gut aus und machte im schwarzen Trikot mit rosa Hosen eine bessere Figur als viele andere Frauen, die beträchtlich jünger waren als sie.
»Keine Unterhaltung, meine Damen«, mahnte Rita Carrington. Lilian war über die Rüge so beschämt wie früher als Kind über einen Verweis in der Schule. Beth zog eine Grimasse und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Trainerin. »Aufgepaßt, meine Damen, alle auf den Rücken!«
Lilian legte sich hin und schaute zu Beth hinüber. Als die sich mit der Hand auf den Boden stützte, zuckte sie merklich zusammen. »Tut's immer noch weh?« fragte Lilian. »Ich weiß nicht recht, ob die Wunde noch schmerzt oder ob's bloß die Erinnerung ist, wenn ich die Stelle berühre«, antwortete Beth.
»Bitte, meine Damen, Sie können sich nachher im Aufenthaltsraum unterhalten.«
»Wir reden im Aufenthaltsraum drüber«, wiederholte Lilian im Flüsterton.
»Füße hoch und Knie beugen. In der Taille abknicken. Und eins und zwei, und drei und vier...«
»Ach, das schmeckt köstlich«, rief Lilian und nahm einen großen Schluck Cola. »Nichts ist so belebend wie reiner Zucker, wenn man eine Stunde Folterqualen hinter sich hat.«
»Besser als Sex«, pflichtete Rickie Elfer ihr bei, legte den Strohhalm beiseite und trank genüßlich aus der Flasche. »Also ich weiß nicht, ob ich so weit gehen
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