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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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die Kinder, macht Besorgungen und kocht – gegen Bezahlung. Damit trifft sie bei dem unfreiwilligen Hausmann ins Schwarze. Salin macht zu Ende des Sommersemesters einen sehr erschöpften und auch resignierten Eindruck. Sie kennt ihn mittlerweile gut genug, um seine Lage richtig einzuschätzen. Nachbarschaftliche Hilfe im Haushalt kann er gut gebrauchen, und die siebzehnjährige Brigitte wird auch froh sein, nicht alle Mühen und Launen des Vaters allein ertragen zu müssen.
    Seine Verfassung beschreibt er am Sonntag, den 16.

Juni 1940:

    Ich kann nicht große Burg- oder sonstige Pläne machen. Ich habe noch manches zu richten und muss dazu noch die vielen Dinge mir abzwingen, die die Tagesarbeit fordert, Kolleg, Heuen usw. Wer dieses besser machen kann, freue sich, dass er unbeschwert ist, aber hüte sich zu mäkeln.
    Das Meine tun, bis die Nacht hereinbricht, geht schon fast über Menschenkraft. Wer mir Freund ist, ehrt dies schweigend; denn der Rest ist unsagbar.

    Mit guten Wünschen,
E.

S.
    Ilse und der Professor sind sich wohl rasch einig geworden – beiden hilft’s. Am 12.

Juli testiert ihr Salin:

    »Hierdurch bescheinige ich, dass Frl. Ilse Winter für die Arbeit an ihrer Dissertation über ›Das kaufmännische Direktorium von Basel im 18.

Jhdt.‹ die Bestände des Basler Staatsarchivs benötigt und daher während der Semesterferien in Basel arbeiten muss.
    Dr.

E. Salin
    Professor an der Universität«
    So kann meine Mutter den Sommer 1940 besser gelaunt mit Brigitte, Lothar und Edgar Salin, den Archiven, Kollegen Oertl in ihrer neuen Wohnung verbringen – die Wehrmacht ist nicht einmarschiert, Füsilier Heim steht wochenweise an der Grenze, und wenn nicht, so ist er mit sich beschäftigt. Ilse hat es einmal mehr gut gerichtet, wäre da nicht der immer volle Briefkasten, in dem die Chimären der drängenden und fordernden Mutter, des verlorenen Onkels und der heimatlosen Freunde toben.

    Berlin, den 15.

Juli 1940
    Meine geliebte Ille,

    Gott sei Dank las ich Deine lieben Zeilen etwas beruhigter, weil ich ersah, dass Du wenigstens wieder besserer Stimmung bist. Also doch wieder bei Edgar? Und das hat Dich froh und frisch gemacht, obgleich es eine Erholung doch nicht war, Köchin für Massenmäuler zu spielen. Aber wenn er bezahlte, kann ich verstehen, dass es schön war! Liebes Kind, es ist so furchtbar für mich, dass Deine Berichte absolut kein Eingehen auf die meinen sind und ich daher nicht weiß, was in Dir und mit Dir sich abspielt. Nachdem ich durch Deine Briefe glauben musste, der Kontakt bestehe in dem Sinn nicht mehr, höre ich jetzt dies, dass es doch nicht etwa nur Kommilitoneneifer war?
    Über E.s offenen Hosenschlitz habe ich sogar beim Lesen lachen müssen, so etwas hätte ich in meinen Zores [Sorgen] noch erleben mögen. Und so was ist das Ideal meiner Tochter! Du liebst ihn wohl doch noch heiß? Gott, nein!
    Und was eigentlich mit Fredi wieder vorging und warum er nichts von sich hören lässt, hast Du mir nicht geschrieben, wo ich Dich so sehr bat, mir doch so zu schreiben, dass ich wenigstens dadurch Dir nahe bin, mit Dir leben kann und nicht über alles im Dunkeln tappen muss. Ich ertrage das Fernsein von Dir immer schwerer. Wenn Du mich nicht alles miterleben und -fühlen lässt, bin ich noch unglücklicher. Über die allerwichtigsten Punkte unserer Zukunft lässt Du Dich nicht aus, Deine Pläne und Ziele, die Du anstrebst und die Dich doch beschäftigen müssen, erwähnst Du nicht. Du kannst doch nicht weiter ins Blaue herumbalancieren und Dich damit begnügen, hin und wieder ein paar frohe Tage zu erhaschen, die Dich aber für die Zukunft nicht weiterbringen? Ist dieser Mann Dir nicht in dem Maße verbunden, dass er ernsthaft Deine Zukunft mit Dir berät? Dir hilft es, endlich Dein eigen verdientes Brot zu essen! Und an einem Ort, der dafür die Gewähr leistet.
    Ideale haben und Schöngeisterei treiben ist gewiss etwas Wunderbares, aber heute muss man doch vor allem erst einmal darüber nachdenken und besprechen, wo und wie man sich durchschlägt und das Leben meistert.
    Wenn ich Deine Nachrichten lese, manchmal himmelhoch jauchzend nur deshalb, weil ein paar Tage nach Wunsch vergingen, folgen dann aber umso bittere trübe Ausbrüche schweren Herzwehs, zu mir Zuflucht suchend, und sitze hier und kann Dir nicht helfen, meiner Bewegungsfreiheit beraubt, so kannst Du verstehen, dass ich zu Dir sprechen muss wie heute. Wie lange schon versuche ich, Dich auf den

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