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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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rechten Weg zu führen, ich wäre so überaus glücklich, gelänge es mir, durch Deine Reife, es Dir begreiflich zu machen!
    Nach einer hässlichen Auseinandersetzung mit E.

S., der nun unvermittelt sein Leben wieder unter das Gesetz der Einsamkeit stellen will und die ihm Anlass genug ist, »jedes Gespräch auf lange Zeit zu meiden«, reist Ilse Mitte Juli für vierzehn Tage an den Genfersee. In Corsier ist sie im vornehmen Landhaus Manoir du Ban (das die Familie Chaplin nach dem Krieg erwerben wird) bei der Witwe des Bühnenautors Wilhelm Imperatori eingeladen. Seine dritte Frau Edith und Ilse haben sich in Basel kennengelernt und angefreundet. Eigentlich sollte Ilse dort länger bleiben, im Haushalt mithelfen und sich von den Anstrengungen in Basel erholen, doch die schlagartige Verbesserung ihres nervösen Zustands lassen sie zu Beginn des Wintersemesters zurückkehren. Für Ilse sind es echte Ferientage, die auch den in der Ferne »wetterfühligen« E.

S. nicht unberührt lassen. Er schreibt in ungewohnter Milde nach Corsier:

    Basel, den 21.

Juli 1940

    Der letzte Brief war mir eine reine Freude. Je mehr meine Person zurücktritt, umso eher darf ich zustimmend und freundschaftlich begrüßen, wenn Quellen weiter sprudeln, deren Vorhandensein früher nicht geahnt war. Seit gestern hat sich das Wetter zum Besseren gewandt. Bleibt es so, dann fahre ich mit den Kindern nächste Woche für 14 Tage fort. Adresse bleibt vorderhand Basel.

    Weiter gute Erholung,
E.

S.
    Nach dem ersten unbeholfenen Anlauf mit Zettelchen und Postkarten und dem »indiskutablen« Intermezzo zwischen Ilse und Charlotte kommen sich E.

S. und »das kleine Katzentier« nunauch kraft ihrer veränderten Lebensumstände näher. Auf einer Wanderung lassen sie den Bergsommer ausklingen und erleben gemeinsam den 1.

August 1940, den Schweizer Nationalfeiertag, der nun, wo Krieg ist, besonders eindrücklich begangen wird. Auf allen Höhen lodern helle Feuer, und von den Almen trägt der dumpfe Ton der Alphörner weit in die Landschaften hinaus. Ilse hat oft von dieser Nacht erzählt – sie war ergriffen und fühlte wohl auch zum ersten Mal eine Geborgenheit in der umtosten Schweiz.
    Zurück in Basel wird Ilse die jüngsten Entwicklungen nach Berlin berichtet haben. Marie ist entsetzt und legt sich umgehend ins Zeug. Für sie ist der Professor kein »Mann«. Rettung durch Heirat sieht anders aus – sie zieht alle Register:

    Berlin, den 9.

August 1940
    Mein Geliebtes,

    um Gottes willen, nicht so etwas heiraten, dann kannst Du Nervenpflegerin als Ehefrau werden, der ist unbeholfen und inkonsequent, schwer psychopatisch, gottbehüte, Hände weg. So einer fehlt Dir noch zu Deinen eigenen Depressionen, die Du ja genug allein zu bekämpfen hast, vielleicht mit dem noch Kinder haben? Nein, mein Armes, da kommst Du vom Regen in die Traufe, kannst nur erziehen, wenn auch auf anderem Gebiet. Der weiß genauso wenig, was er tun und lassen soll, wie der einfache jüdische Kaufmann, und wenn Du mit dem reisen solltest, wirst Du wohl auch die Hotelrechnung bezahlen und Zimmer vorausbestellen müssen etc., wie bei Fredi, ein richtiger zerstreuter Professor. Und so etwas für Dich, für mein so wertvolles Kind! Nein, da müssen doch noch andere Gecken kommen. Du wirst ja vielleicht inzwischen die Bekanntschaft gemacht haben und gleich sehen, was los ist, wenn Du auch meinst, Du unternimmst [empfindest?] mehr für Verrückte als für Normale, jedoch dass Dein Zustand dadurch nur schlimmer wird, vergisst Du dabei. Wenn dieser Brief zu Dir gelangt, bist Du eventuell schon dort und wanderst mit ihm auf den Pässen herum (er wird nebbich [belanglos, wie er ist] nichts mitmachen können, weil er schon das Zipperlein in einem Fuß hat). Wirst ihn dann wie mich bei einer Tour in Mürren, immer so hinten am »Toches« nachschieben müssen.
    Ach, Gott nein, alles ausgefallene Nuancen! Warum klappt es bei Dir nicht so wie bei anderen Menschen, die nicht so wertvoll sind? Frauenzimmer sollten eben nicht zu klug sein, dann haben sie es viel leichter, diese Liebeweibchen sind weit besser dran.
    Tante Rosel wird von Karlsruhe nach Südfrankreich deportiert, Fredi geht neuerdings mit einem Mannequin aus, Marie lässt sich von einem »arischen« Zahnarzt Goldplomben und »neue Beißerchen« machen. Statt der erhofften Taten der Tochter erhält Marie zahlreiche Pakete aus der Schweiz. Ilse liebt es, Päckchen zu packen, und vielleicht hilft ihr dies

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