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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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in Disentis, Sommer 1941

    Berlin, den 3.

September 1941
    Meine geliebte Ille,

    Du hängst von Neuem, wie ich sehe, an E., bist trotz aller guten Vorsätze und Schwüre Dir wieder untreu geworden und hängst in der Luft. Warum nimmt er Dich denn nicht in sein Leben auf und anerkennt Dich als seine Weggenossin vor der Welt? Muss aber von seiner Seite nicht so weit her sein mit der großen Liebe. Aber Du bemühst Dich, neben der kleinen Studentin auch eine gute Köchin abzugeben. Nun, mein Gutes, in puncto Stolz tratst du weder in Vaters noch in meine Fußstapfen.
    An Deinen endgültigen Schluss mit Edgar glaube ich leider nicht. Wenn Du ihn drei Wochen nicht gesehen hast, was doch übrigens durch die Vorlesungen unmöglich ist?, wirst Du in der vierten Woche auf sein Nachspringen wieder reagieren, ich wette um jeden Preis!
    Bist jedoch glücklich dabei, und wenn es leider nur Momente sind, habe ich nichts zu sagen. Finde aber, dass auch deine sogenannte zweite Pubertätszeit anormal ist – an die erste möchte ich Zeit meines Lebens nicht mehr erinnert werden.
    Nicht immer trifft Marie mit ihrer spitzen Zunge und flinken Feder ins »Schwarze«. Für Ilse ist E.

S. neben Geist und Wissen auch ein verlässlicher und umsichtiger Mann, der, statt Ehe zu versprechen, weiß, was zu erledigen ist: Testate.

    »Basel, den 20.

August 1941
    Hierdurch bescheinige ich, dass Fräulein Ilse Winter mir zwei Kapitel ihrer Dissertation bereits vorgelegt hat.
    Bei ungestörtem Fortgang ihrer Arbeit halte ich es für gewiss, dass sie gegen Ende dieses Wintersemesters promovieren kann.
    Dr.

E. Salin
    Professor an der Universität«
    Mit diesem Dokument wird Ilses Aufenthalt in Basel von der Fremdenpolizei bis zum 31.

März 1942 verlängert. Es macht sie sorgloser und schafft Raum für Mut und Chuzpe, um von jedem ihrer drei Männer zu bekommen, was sie für ihr Leben, ihr Überleben, braucht.
    Am 2.

September trifft sie sich mit »Genji« in Luzern, von wo aus das »deutsch-japanische Paar« mit einem Ausflugsschiff nach Weggis weiterreist.

    Berlin, den 6.

September 1941
    Liebste Ille,

    wenn diese Zeilen Dich erreichen, hast Du Deinen Geburtstag schon hinter Dir und bist hoffentlich in einer glücklichen Stunde in Dein zukünftiges Jahr gegangen. Der Bericht Deiner Karte und das Drum und Dran mit dem Hiro oder wie der Mann heißt, lässt erkennen, dass Du mal wieder in Deinem Element warst. Für Dich ist leider immer nur das reizvoll und vollendet und alles erdenklich Günstige, was Du nicht besitzen kannst, und lustig finde ich es absolut nicht, wenn man dauernd vom Heiraten redet und es unmöglich ist, es durch schwerwiegende Hindernisse wahr zu machen. Gibt es für Dich keinen Mann mehr als ausgerechnet einen Asiaten und hands off !
    Ich kann mir denken, dass diese heute mit unserer Familie nichts zu tun haben wollen. Die Kaste der Samurais hält daran fest, unter sich zu bleiben, und wenn er ein guter Sohn ist, wird er diese Vorschrift nicht brechen. (Du schreibst mir doch, dass er einem alten Geschlecht angehört.) Ich bin traurig in der Annahme, dass diese Sache wieder eine Enttäuschung bringt.
    Du wirst mir zwar antworten, Quatsch! Aber im Grunde und prinzipiell ist’s schon so. Ach, es sind eben nur unüberwindliche Schwierigkeiten bei Dir; noch ein paar Jahre, und Du wirst einsam und allein sein, und wenn dann noch einer vom Heiraten redet, bist vielleicht nur Du es.

    Berlin, den 11.

September 1941
[am Tag nach Ilses 29.

Geburtstag]
    Puppchen,

    hoffentlich hast Du Deinen lieben gestrigen Tag nett verlebt, kannst Dir ja denken, dass ich den ganzen Tag an Dich dachte, wie zwar auch sonst täglich. Ja, nun werden wir in Kürze auch unser Abzeichen tragen, für viele, die keine Familienähnlichkeit hatten, nicht angenehm, und auf die Auswirkung bin ich neugierig. Man soll zwar auf die Zukunft nicht neugierig sein, man erlebt es noch früh genug. Mein Gutes, wie glücklich müsste ich sein, dass Du es besser hast, aber ich bin zu verzweifelt, dass ich nicht bei Dir bin:
    Wenn Du alles in Betracht ziehst, wie meine Aussichten sind, wirst Du mich verstehen. Damit Du nicht grundlos unruhig bist, werde ich Dir öfter schreiben als sonst, besonders wegen der Nächte. Aber ich vertraue auf meinen alten guten Gott, der in jeder Not bei mir war, es ist alles Bestimmung.
    Sonst, mein Puppchen, bin ich gesund, das ist die Hauptsache, um all das zu überstehen, was einem noch blühen kann. Schreibe

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