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Ich will meinen Mord

Ich will meinen Mord

Titel: Ich will meinen Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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gegen die wieder angeraucht werden muß, während die Viszman-Blicke mich nicht allein um Geduld dafür bitten, daß ich im Regen stehen und Schokoladenkekse essen muß, sondern geradezu um Verbündung gegen ein uneinsichtiges Zentrum des Unheils, das wortreich, um nicht zu sagen, penetrant geschwätzig, auf ihn einredet und ihm das Paradies auszutreiben versucht, mein Gegenblick ist voller Verständnis für seine Lage, ein solidarischer Blick, Viszman lächelt, was Besançon nicht zum Schweigen bringt. Schokoladenkekse sind scheußlich, wenn man seit Montpellier nichts gegessen hat, von Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse im Sinne Diderots kann nicht die Rede sein, von Nachgiebigkeit in Besançon kann nicht die Rede sein, von einem Telefonat meinerseits kann demnächst auch nicht mehr die Rede sein, weil der Zug zwar Aufenthalt hat, aber doch nur bis drei nach halb drei; Viszman, der seit Avignon nichts gegessen hat, wird keine Zeit für den Keksautomaten haben, Schokoladenkekse werden geteilt werden müssen.
    Die Nachbarn, die immer im Müll spionieren, werden die Scheurebenflasche morgen im Papiermüll finden, weil meine Mutter nicht weiß, daß sie sie zum Hühnerfrikassee einladen soll, und als sie sie schließlich einladen will, weil in Metz die Fahrpläne immer noch durcheinander sind, haben sie sich schon fürs Kino entschieden, gebadet und angezogen und bedauern. Zwar können die Nachbarn am nächsten Tag nicht beschwören, daß es mein Vater war, der die Flasche in den Papiermüll geworfen hat, aber sie haben ihn stark im Verdacht, weil in der Einladung meiner Mutter Frikassee vorkam, und dazu paßt kein Rotwein.
    Die beiden Soldaten sind eingestiegen, Viszman schaut nach der Bahnsteiguhr und macht eine müde Schulterbewegung, resigniert, weil Besançon unnachsichtig seine Anwesenheit reklamiert, der Zug will weiter, ein paar Sonnenstrahlen glitzern auf alten Dächern, Viszman hängt ein und schnipst den Rest seiner Zigarette mit dem Daumen in eine Pfütze, bei aller Resignation eine trotzige Männerbewegung, aus Verärgerung hätte er fast seine Telefonkarte vergessen, sie piept aber.
    Das Abteil ist leer. Eine Wohnung in Thionville wartet auf Konspiration. Natürlich macht mir Thionville zu schaffen. Besançon ist vorerst bewältigt, obwohl es ein schönes Stück Mühe war. Viszmans Wohnung wird sicherlich kein Problem sein, schon wegen der vielen Bücher an den Wänden. Wohnungen mit Büchern sind in der Regel ohne die Verlegenheit betretbar, die Wohnungen ohne Bücher bereiten. Viszman stellt sein Leben nicht aus: Eine Lampe bedeutet Licht, ein einzelner kleiner Teppich unter dem Schreibtisch bedeutet: keine kalten Füße beim Arbeiten, eine Kaffeemaschine bedeutet Kaffee, alles leicht zu verstehen, vor allem: nichts dargestellt, nichts ausgestellt. Keine Reisemitbringsel, keine Allerweltstrophäen, überhaupt keinerlei Folklore, vor allem keine Photos erfreulicherweise. Auch keine Zimmerpflanzen, ein einzelner Ficus weigert sich, den Naturzustand zu ersetzen oder zu simulieren, oder Viszman weigert sich, ihn zu gießen. Demnächst wird er blattfrei sein. Die Bücher sind alphabetisch sortiert, weil einmal vor Jahren in diesem organischen Gewusel nichts mehr zu finden war, wie Kraut und Rüben, und schließlich hat er sich ein Wochenende genommen und seine Bibliothek sortiert. Ein wenig dunkel, die Wohnung, eine typische Männermischung aus braunen, grauen, schwärzlichen Tönen, ein paar Häkelkissen, dunkelgrün, andere, in Ockertönen gestreift, auf einer Couch, kein Verhältnis zur Farbe, gut. Buchrücken sind bunt. Eine Dürersche Melencolia mit Flügeln überm Schreibtisch in einem gesprungenen Glasrahmen schaut, das Gesicht in die Hand gestützt, unverwandt auf eine moderate Schallplattensammlung, Korbstühle, um sich die Strümpfe daran zu zerreißen; natürlich glaubt Viszman nicht ans Wohnen, Möbelparadiese sind jedem denkenden Menschen und Antikapitalisten suspekt; er brauchte sich nicht zu entschuldigen, warum entschuldigt er sich.
    Er zieht den Vorhang vor die Schiebetür. Die Tür schließt nicht richtig.
    Die Wohnung ist kein Problem, sie ist gerade richtig, gelegentlich klingelt das Telefon und stört die Konspiration, aber für den Fall, daß es in diesem frühen Stadium der Barbagelata-Planung schon prophylaktisch der KGB ist (lästig, die trotzkistische Jugendsünde, verständlich zwar, aber lästig ist sie schon), geht Viszman einfach nicht dran. Auch aus der Richtung von

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