Ich will meinen Mord
überhaupt gar nicht kennt, aber wenn er sie nun schon monatelang mit dem Filialleiter fertigmacht, schaut sie sich den mal an, und er hat gegen ein Geplänkel mit Stretchröhre nichts einzuwenden.
So wird es kommen.
Mein Minirock hingegen kommt nicht vor Gericht, weil ich besonnen genug war, Viszman eine Überstürzung auszureden.
Messieurs Dames, sagt der Schaffner und schließt die Tür.
Ich habe kalte Füße.
Viszman eröffnet unser Gespräch. Er sagt: Quel beau temps.
Ein Satz von verschwiegener Hintergründigkeit, Doppeldeutigkeit geradezu. Die Inspektoren mißverstehen ihn prompt und sagen, scheußlicher Regen, weil sie denken, er spräche vom Wetter, das in der Tat eine schöne Bescherung ist, eine von Barbagelata angerichtete Welt- und Oktoberbescherung mit Hubschraubern darin, die keine Chance haben, bei diesem Wind die Leute aus ihren untergegangenen oder vom Sturm abgedeckten Häusern zu retten. Das Militär ist ohnmächtig angesichts des ruckhaften Anstiegs der Obdachlosenziffer.
Noch ist der Zug pünktlich.
Was für eine schöne Zeit, hat Viszman gesagt, und wie er vorhin die Uhrenbesitzer entlarvt hat mit seiner Frage, vous avez l’heure – als könnte man im Besitz der Zeit sein, Zeit in seinen Besitz bekommen –, hat er sie jetzt endgültig überführt, das zentrale Problem der Zeit, Zentrum jedes kulturkritischen Denkens, jedes Denkens an sich, jedes konsequenten Antikapitalismus im Sinne der Enzyklopädisten mit oder ohne trotzkistischer Jugendsünde, dieses Problem so gedankenlos zu behandeln, als spräche man übers Wetter, wo dieser ironische Satz doch unmißverständlich eine Botschaft, eine Aufforderung geradezu enthält, denn was anderes sagt er als: diese Zeit, diese zugerichtete, zerhackte, verstümmelte Zeit mit den bekannten Auswirkungen auf die unter ihrem Diktat sich verstümmelnden Menschen, diese grauenvolle Zeit also kann nicht als schön empfunden werden, wenngleich der Begriff »schöne Zeit« sagbar und also denkbar ist als: das Paradies des wiederhergestellten Naturzustands, dieses rohen und wilden Zustands des Menschseins, der – Tahiti hin, Tahiti her – schlechterdings die Abschaffung jeglicher Zeit verlangt, die schöne Zeit ist die abgeschaffte Zeit, in der allerdings die Fahrpläne der SNCF mit Sicherheit durcheinandergeraten werden, aber sollen doch die Bahnen in einer schönen Zeit getrost einmal unpünktlich sein. Solle doch niemand denken, der Sturm der Obdachlosen Europas auf Barbagelatas Hauptquartier in Martigues werde die Fahrpläne unangetastet lassen.
Barbagelata mitsamt Chauffeur und Mobiltelefon hat in Mâcon schließlich umkehren müssen, weil der Zug zwar pünktlich war, aber leider nicht anhielt. Den Volvo aus der Tiefgarage holen, bevor das Wasser hineinläuft (Tiefgaragen sind bei Weltuntergang unzweckmäßig). Schließlich kann man Waffengeschäfte und Betonverkäufe in Sachen Bodensee- und sonstiger Begradigungen auch schriftlich, am besten per Fax, besorgen.
Wie es aussieht, kann seine Kleine heute abend noch ihre Koffer packen wegen der grünen Fingernägel, die Barbagelata nicht ausstehen kann, Sylvies Tochter ist raus aus der Villa dank einer glänzenden Personenführung, die Sylvie eine Menge Ärger erspart: eine Prüfung der Konten und besonders der Wertpapiere von Sylvies Tochter würde dummerweise ein paar Unregelmäßigkeiten ans Licht bringen, für die die Kleine an und für sich nichts kann, es war dieser Börsenrobert, der sie ihr eingebrockt hat, und Sylvie kommt arg in die Klemme, weil sie offenbar in Robert verliebt ist.
Sylvie ist eine Frau und hat einen typischen Frauenfehler gemacht mit ihrem Robert, der weiter nichts ist als ein kleiner Börsenhalunke mit Augen, an denen man schon von weitem erkennen kann, daß er hinreißend und ein Gauner und weiter nichts ist, und natürlich hat Sylvie den Gauner nicht sehen wollen und nur für das Hinreißende einen Blick gehabt, sich hinreißen lassen und einen Halunken sich schöngeguckt, was an sich nicht tragisch wäre, wenn sie es nicht mit ihrer Schönguckerei übertrieben und sie am Ende noch selbst geglaubt hätte: sonst hätte sie diesen Robert wohl kaum an die Geldgeschäfte der Tochter herangelassen, zumal sie Barbagelata genau angesehen hat, was ihr bei Robert entgangen ist: Dreck am Stecken.
Es ist immer ein wenig unangenehm, wenn eine Frau um die Vierzig sich hemmungslos ihren Trieben überläßt, obwohl andererseits die Nichtbefriedigung menschlicher
Weitere Kostenlose Bücher