Ich will meinen Mord
Nuits-Saint-George, aber bei dem Wetter war nichts zu machen, die Straßen waren gesperrt, in Mâcon also drehten sie um, wie auch der Immobilien-Geschäftsfreund bezeugen kann, der sich an den Abend in Avignon selbstverständlich erinnert, lückenlos: Entenbrust in Steinpilzsoße, als Ersatz für den ausgefallenen Nuits-Saint-George ein Châteauneufdu-Pape. Barbagelata ist wegen seiner irrtümlichen Verhaftung beleidigt und verlangt Haftentschädigung und Schmerzensgeld für Rufmord. Mit einer Betonierung des Bodensees und der umliegenden Gewässer ist es auch nichts geworden, weil man am Bodensee Kostenvoranschläge eingeholt und verglichen hat: Barbagelatas Beton ist zu teuer. Ein Unschuldiger also flimmert durchs Programm, verlangt Haftentschädigung und will nächste Woche bei den Kommunalwahlen gewählt werden mit Hinweis auf den katastrophalen Zustand der Nationalparks und Naturschutzgebiete, um deren Erhalt die Direktionen ihn in einer konzertierten Petition gerade während seiner irrtümlichen Inhaftierung dringlich gebeten haben. Auch will er den Obdachlosen jedenfalls noch vor dem Winter wenn nicht Obdächer, so doch ersatzweise wohnsitzartige Pappkartons verschaffen, er sagt: 50 000 allein in Paris, und es ist anzunehmen, daß er seine Finger auch in der Pappkartonbranche hat, die ihm die Verluste aus entgangenen Betongeschäften kurzfristig wieder einspielen wird, weswegen er in diesem Punkt auch ein wenig undeutlich bleibt; außerdem hat ihm sein Pressesprecher gesagt, daß nur ein ganz geringer Prozentsatz der Obdachlosen überhaupt wählen geht, eine Kampagne in diese Richtung sei nicht nur überflüssig, sondern sogar politisch riskant, da jede Stammwählerschaft die Nähe zu einer Randgruppe scheue, zumal wenn diese als ungewaschen gelte und gesundheitlich sehr labil sei, als Randgruppe unansehnlich, dazu überall offene Wunden, die Verbände nicht regelmäßig gewechselt und beim Wechseln der Verbände nicht auf Sterilität geachtet, kurz: dem Stammwähler unappetitlich. Deshalb rechnet sich Barbagelata im stillen die Unmengen Pappkartons aus, die er nach den Kommunalwahlen an alle Kommunen verkaufen wird, und zählt lieber die Tierarten auf, die demnächst aussterben werden (drei davon gehören traditionell in die Bouillabaisse, weshalb es ihm auch persönlich lieber wäre, sie stürben nicht aus), und ich sage: Viszman, ich wette, er wird gewählt.
Viszman hat seine Schuhe ausgezogen und sitzt auf einem Hotelbett, das wiederum kein erstes, sondern bereits ein viertes Hotelbett ist und Kuhlen hat, in einer solchen Kuhle ist er im Schneidersitz versunken, melancholisch, wortkarg, weil so gut wie gewiß ist, daß Barbagelata gewählt wird, nachdem er die Liste der Tierarten fehlerfrei aufgesagt hat.
Wer einen Prozeß bekommt, ist allein der Strohmann in Konstanz, den Barbagelata aus der Tiefgarage in Mâcon angerufen hat, aber wegen der Tiefgarage, gegen die auch das beste Mobiltelefon nichts vermag, hat der nicht deutlich verstanden, was er mit diesen Waggons voller Waffen machen soll, lauter MP s, Geschütze, Raketen und solches Zeug, manches auch ferngesteuert und mit Radar, alles in versiegelten Güterwagen, die keiner aufmacht, weil Barbagelata pfiffig angeordnet hat, außen an den Waggons gelbe Schilder mit Totenköpfen anzubringen: Radioaktiv! Lebensgefahr! In gewisser Weise stimmt die Angabe mit der Lebensgefahr, aber dann haben die Waggons eben rumgestanden, natürlich hat sie keiner aufgemacht, und der Pharmavertreter hat nicht gewußt, wo er sie hinschicken sollte, zumal mehrere Länder sich gemeldet und behauptet haben, der Transport sei für sie bestimmt, und sie brauchen die Ware sofort, aber immer wenn er in Martigues anrief, war nur diese Kleine am Apparat und hatte von nichts eine Ahnung. Barbagelata im Gefängnis anzurufen, traute er sich nicht, weil im Gefängnis die Telefone geheimdienstlich abgehört werden. Überhaupt sind ihm die Geheimdienste aller Länder jetzt auf den Fersen gewesen, und am Ende war er erleichtert, daß die Gemeinde, in der die Waggons auf dem Abstellgleis standen, die radioaktive Belästigung loswerden wollte und über die Grenze in ein Drittland abschob, bevor der Fremdenverkehr von der Sache Wind bekäme, und dann sei die Wintersaison nämlich hin, und die Gastwirte gehen auf die Barrikaden. Aber damit begann erst das Elend des Strohmanns: zwar wollte jeder die MP s mit Radar, aber keiner die radioaktiven Waggons, der Fall ging vor einen Blitzausschuß
Weitere Kostenlose Bücher