Ich will meinen Mord
in Den Haag und wurde parallel in Straßburg verhandelt, schließlich wurde ein internationaler Untersuchungsausschuß gebildet, in Schutzanzüge gesteckt und im letzten Moment wieder aufgelöst, weil Interpol den Strohmann in Konstanz ermittelt hatte.
Sein Anwalt rückt die Armani-Brille auf der Nase nach vorn, er ist ein bekannter Spezialist für Abschiebeprozesse und plädiert auf Freispruch des Strohmanns mangels Beweisen: bis man die Waggons geöffnet hatte, waren die versiegelten Türen längst aufgebrochen: von den Waffen bis jetzt keine Spur.
Ich nehme an, daß freundschaftliche Telefonate zum Nachttarif dafür sorgen, daß sie verschwunden bleiben.
Folglich gewinnt unser Anwalt.
Das Tennisturnier hat einer der beiden gewonnen.
Viszman muß telefonieren. Jemand hat sich furchtbar verspätet, offenbar stundenlang keinen Parkplatz gefunden, weswegen man jetzt erst anfängt mit dem Essen, aber keiner wollte so unhöflich sein, schon anzufangen, solange noch einer fehlt. Daher dürfte es länger dauern. Vielleicht Mitternacht oder länger. Bis dann.
Ich höre weg.
Nach dem Telefonat macht er die Augen zu, damit ich die drei Verlegenheitsfalten zwischen den Augenbrauen nicht sehe, die er bekommt, weil er Diderot und Besançon verrät.
Ich muß auch telefonieren. Sylvie hat bereits Nachricht von ihrer Tochter, um die ich mir keine Sorgen zu machen brauche, weder um ihre Vermögenslage, die infolge Räumung aller Konten sozusagen geregelt ist, noch vor allem um sie, nämlich: weiß ich ja, daß sie längst schon vorhatte, aus diesem Martigues endgültig abzuhauen, sie hing die ganze Zeit schlechtgelaunt in der Villa herum und zappte sich durch die Programme, weil man sich nicht vierundzwanzig Stunden am Tag die Haare waschen und die Fingernägel lackieren kann, aber irgendwie fiel ihr nichts ein, und zur Mutter wollte sie auch nicht zurück wegen der Wechseljahre, und schließlich hing sie immer noch herum, als Monsieur aus der Haft entlassen wurde. Und kaum war Barbagelata raus, fing ein Affentanz an, Presserummel: der ganze Ort voll mit Leuten und Kameras und Reportern, alles auf den Kopf gestellt, siebenmal umziehen am Tag, Barbagelata vor der Kommunalwahl, Sondersendungen, Nachrichten, Interviews und vor allem: Kameraleute.
Nun ja.
Eben Kameramänner. Genauer gesagt, ein Kameramann mit spezieller Begabung für Kameraführung, ansteckend, vermittels des ansteckenden Kameramannes plötzliches Erwachen eines Berufswunschs in Sylvies bislang ausbildungsscheuer Tochter: Kamera-Assistenz. Umzug nach Paris, alles innerhalb einer Woche (inklusive Räumung aller Konten; die Umrechnung in Gänsestopfleber, weil Gänsestopfleber das einzige ist, womit man sich kurz vor Weihnachten in Martigues gründlich verausgaben kann, ergibt, daß es so weit mit den Konten nicht hergewesen sein kann. Ich hätte Barbagelata nicht für so geizig gehalten). In Paris besitzt der Kameramann etwas, das er als Loft bezeichnet, um der Kleinen zu imponieren. Aber ein wenig anders verhält sich die Sache dann doch, da er nämlich des weiteren eine Familie besitzt, was Sylvies Tochter zuerst etwas stört, aber er bringt ihr schonend bei, daß erwachsene Männer häufig Ehefrauen haben, eigentlich so gut wie alle, ja, daß Männer ohne Ehefrauen, von einigen Ausnahmen abgesehen, die aber für sie nicht in Frage kommen, weltweit nicht zu finden sind. Gibt’s gar nicht, sagt er, und daß Frauen, sobald sie einen Mann haben, zum Kinderkriegen neigen, et voilà, und schließlich versteht sie es und versteht gleich noch mit, daß dies ein scheußliches Unglück für einen Kameramann ist, ein ausgesprochenes Malheur, für das er Trost und Liebe einer künftigen Kamera-Assistentin als gerechten Ausgleich empfindet. Sie spendet tüchtig von beidem und kommt wieder im Bett nicht dahinter, daß da was dran sein könnte, was halbwegs die Sache lohnt, weil sie die meiste Zeit mit Spenden zu tun hat, und da der Kameramann nicht die geringste Absicht hat, seinem Unglück ein Ende zu setzen, solange die Spenden fließen, genießt er seine Spendenbedürftigkeit, bis die Kleine es satt haben wird, das Rote Kreuz zu spielen. Sie bekommt auch gleich einen Platz an der Film-Hochschule, weil sie tatsächlich begabt ist und Barbagelata selbst gemerkt hat: man soll nicht so knauserig sein. Das spricht sich rum. Nach der Wahl, als Sieger, dankbar, daß sie von selber gegangen ist und schon im Wahlkampf nicht immer mit auf die Photos gewollt hat, die ihn dann
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