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Ich will meinen Mord

Ich will meinen Mord

Titel: Ich will meinen Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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von meiner eigenen ganz zu schweigen; ich werde gar nicht merken, daß im Frikassee wieder Pelle schwimmt, ich werde an der Stelle, wo im Gespräch zwischen dem Verleger und mir das Löffelweglegen fällig wäre, ruhig weiteressen mit einem Blick, der den Verleger unsicher macht: was, wenn er sich irrte, so seelenruhig, wie ich weiteresse, dabei habe ich nur an die wunderbaren kleinen Rostflecken gedacht, die Büroklammern auf Buchseiten machen, und mein Verleger kommt ins Grübeln, ob nicht wirklich der europäische Analphabetismus in Verbindung mit steigenden Druckkosten selbst in Dritt- und Viertländern, Hongkong, Tahiti, das Bücherverkaufen erschwert, ohne rechte Überzeugung fordert er einen Updike von mir, meint sich aber an handwerkliche Einwände zu erinnern, die ihm beim Lesen flüchtig durch den Kopf gingen. Ich strahle in die ägyptischen Bohnen, man kennt das, aber auch Strahlen infolge Selbstbetrugs steckt an, es wird ein langer Abend, an dem ich meinem Verleger von Barbagelata berichte und verspreche, die Sache im Auge zu behalten, in beiden Augen, nein: in vier, wenn ich richtig zähle, vier strahlenden Augen, aber das sage ich nicht. Schließlich werden wir Barbagelata, aus dem meine virtuose Personenführung demnächst einen soliden Updike macht, mit weißem Whisky in einem irischen Pub feiern, obwohl ich furchtbar müde bin, weil ich so wenig Schlaf hatte letzte Nacht.
    Es gibt ihn. Er schmeckt genau wie anderer. Man kann getrost seine Leute in die Bar schicken und ganz normalen Whisky bestellen lassen. Scotch (klingt auch besser).
    Barbagelata im Auge zu behalten ist leichter, als ich dachte, man braucht dazu nichts weiter als eines dieser vierten Hotelzimmer in Metz und einen Druck auf den Fernsehknopf. Viszman ist mit dem Auto gekommen und hat keinen Parkplatz gefunden, also kam er zu spät in die Pizzeria, in der wir uns praktischerweise treffen, weil sie uns an eine zeitlose Nacht erinnert, er ist in Eile und muß wahrscheinlich nachher noch beruflich nach Besançon, aber das sagt er nicht; ich hätte arbeiten wollen, aber das sage ich nicht, ich habe einfach nicht gearbeitet. Vor dem Hotel sucht eine Bohrmannschaft mit großem Getöse Erdöl, der Verkehr wird einstweilen durch unser Zimmer umgeleitet, wegen der Grabungen ist die Warmwasserleitung bis auf weiteres stillgelegt, die Zeit vergeht durch Auf-die-Uhr-Schauen, auf einen winzigen Reisewecker aus Zeitz. Die Kommunalwahlen sind erst demnächst, aber in Rußland gibt es um acht Uhr diese Entwicklung, von der heute abend Europa abhängt, ein schattiges einziges Programm sagt uns, daß es ernst ist, auch andernorts ist es ernst, wir wissen es, wir machen ernste Gesichter; Viszman hat die Angewohnheit, bei den Achtuhrnachrichten etwas zu essen, aber das weiß ich nicht und werde es nie erfahren, weil ich wegen Thionville und der Häkelkissen Hemmungen habe, dorthin zu fahren; ich bin froh, daß wir die Pizza schon gegessen haben und sie nicht im Hotelzimmer während der Nachrichten essen müssen, wenn die Politiker mit ernsten Gesichtern ihre telefonischen Abendgespräche mit Rußland erzählen, vorwiegend abends wird mit Rußland telefoniert wegen der Sparpolitik und der Abendtarife, aber telefoniert werden mußte endlich einmal mit Rußland, so wie die Entwicklung sich dem gesamten Nichtrußland präsentiert, freundschaftlich selbstverständlich, auch nach Amerika ist telefoniert und von freundschaftlichen Telefonaten mit Rußland berichtet worden, was in Washington freundschaftlich aufgenommen worden ist, freundschaftlich, wenngleich besorgt, und zu besorgten Telefonaten mit Rußland Anlaß gegeben hat. Viszman raucht und sagt, nach Algerien müßten sie auch einmal telefonieren. Vor dem Tennisturnier, das vermutlich von einem der beiden Spieler gewonnen worden ist, sehen wir: Barbagelata. Ich bin überrascht, weil ich ihn hinter Gittern wähne. Offenbar ist er frei. Natürlich ist er frei: Es war ein Kinderspiel zu beweisen, daß er den Waffenhändler am fraglichen Tag nicht getroffen hat, nicht in Konstanz und nicht in der Schweiz. Überhaupt nicht. Hatte er auch nicht vor. Kann sein Chauffeur bezeugen, der den Auftrag hatte, ihn ins Burgund zu begleiten, ja natürlich erinnert er sich, ein scheußlicher Tag, Weltuntergangswetter, fing hinter Lyon plötzlich an, dieser Regen, dabei war am Morgen, als sie losfuhren, ein so schöner blauer Himmel, von Konstanz hat Barbagelata ihm nichts gesagt, nur ein Weingut genannt,

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