Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 - 1945.
München; gegen Morgen dort.
Do.
5.4.
München. Dachau 16 h, 17 h: Pfaffenhofen. Nacht im Wartesaal.
Fr.
6.4.
Pfaffenhofen. Milchauto mittags nach Schweitenkirchen. Nacht in Schweitenkirchen.
Sbd.
7.4.
Wanderung Schweitenkirchen–Pfaffenhofen. Weiter nach München; Nacht im Bunker.
So.
8.4.
München (Vossler); Nacht im Bunker.
Mo.
9.4.
München. Dachau. Nachts: Bahnhof Dachau.
Di.
10.4.
Dachau–Ingolstadt. 11.30 h. Angriff auf Ingolstadt. Wanderung nach Zuchering. Fahrt nach Aichach. Ankunft 1.30 h. Nacht im Wartesaal.
Mi.
11.4.
Aichach. Wanderung nach Inchenhofen. Nacht.
Do.
12.4.
Inchenhofen. 14.15 h Militärauto nach Aichach. Abends Unterbernbach. Nacht beim Ortsbauernführer.
Also sieben von zehn Nächten in Wartesälen, Bunkern, Zügen, ohne aus den Kleidern zu kommen, ungewaschen, bei unzulänglichster Beköstigung.
Heute, Freitag, der erste ruhigere Tag, und auch zu morgen hin ist uns das Nachtlager gesichert. Aber ob wir dauernd, in eigenem Zimmer, unterkommen, ist noch immer nicht entschieden.
20. April, Freitag
Seit einer vollen Woche sind wir hier nun richtig ansässig und ein wenig zur Ruhe gekommen, ich habe täglich stundenlang an dem obigen Nachtrag schreiben können, wir haben uns wiederholt geruhig, spazierend und gepäcklos, Tannennudel zurFeuerung sammelnd, ja vorlesend, im wunderschönen Wald aufhalten dürfen, das Schlafen im Bett ist uns wieder eine Selbstverständlichkeit geworden. Freilich fehlt es nicht an schweren Unzulänglichkeiten; das Waschen ist eine halbe Unmöglichkeit und ganze Dreckerei, mit dem Essen werden wir herumgestoßen, wir müssen es sozusagen erbetteln, am Getränk hapert es sehr, wir sind immer durstig. Aber wir haben doch eine Bleibe, und das Ende scheint wirklich, diesmal wirklich nahe. Heute ist der erwartete Geburtstag des Führers. Nach dem gestrigen Heeresbericht scheint oder ist das Ruhrgebiet mitsamt der Armee und ihrem Marschall Model darin verloren: »Die Schlacht hat ein Ende«, mehr nicht, keine Silbe mehr davon. Die Russen stehen im Großangriff, die andern haben Leipzig, Chemnitz, Plauen, kämpfen um Magdeburg. Wo soll noch ein deutscher Gegenstoß von entscheidender Größe angesetzt werden? Und hier in Bayern ist Nürnberg genommen.
21. April, Sonnabend
Beim Flammenspeck traf ich neulich einen älteren süddeutschen Landesschützen. Er erklärte: Art Landsturmdienst zur Zeit Frontunfähiger, die von der Front kommen und zu ihr zurückkehren. Der Mann, in Typus und Wesen rabiat, bestimmt kein Heuchler, war vollkommen überzeugt von der Hitlersache und ihrem endgiltigen Sieg. Wie die Wende kommen werde, das wisse er nicht, aber er wisse, daß sie kommen werde. »Adolf Hitler« habe es noch immer geschafft, man müsse ihm »blind glauben«, man glaube an so vieles blind, das sich viel weniger bewährt habe als der Führer. Neulich habe ihm eine Ausgebombte gesagt, »Das danken wir dem Führer!« Er habe sie zusammengeschimpft: »Ohne ihn wären Sie nicht ausgebombt, sondern längst Hackfleisch!« Mit dem »Rechenstab« und mit dem »gesunden Menschenverstand« sei es nicht zu erfassen, damit sei überhaupt nichts anzufangen – man müsse nur »an den Führer und den Sieg glauben«! Ich war doch recht bedrückt von diesen Reden. Wenn dieser Glaube verbreitet ist, und es scheint doch fast so …
Täglich die Leiden und auch Freuden (nahrhaften Freuden »mit Käs und Eiern«) des Essens, täglich und nächtlich die Alarme, die sich von hier aus mit relativer Ruhe hören lassen, das tiefe Summen der Geschwader, die oft sichtbar in Gruppen zu sechs, zu zehn, zu mehr Einheiten, Staffel um Staffel in allen Richtungen fliegen, meist etliche tausend Meter hoch als Silberfischchen, heute vormittag unverschämt tief, groß und grau unter grauer Wolkendecke; täglich und nächtlich das ferne Krachen von Bombeneinschlägen, das ganz ferne Rollen der Front, das seltsame Klirren und Schüttern der Fenster, das Knattern eines MG’s oder eines Flakgeschützes, die einzelne undefinierbare Explosion. Und dabei sitzen wir im Walde, in Sicherheitsgefühl, und ich lese den »Großtyrannen« vor. Heute war die Fliegerei den ganzen Vormittag über eine unaufhörliche; nachher hörten wir, ein Tiefflieger habe bei Aichach zwei Mädchen und ein Ochsengespann erschossen. (Die Angst vor dem Tiefflieger steckt jetzt in allen Bauern hier, die Feldbestellung leidet ernstlich darunter.) – In der Nacht zum 17. 4. sahen wir über der Strecke einen
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