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Ich wollte Hosen

Ich wollte Hosen

Titel: Ich wollte Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Cardella
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der immer wieder sagte, es sei schon acht und ich müsse den Koffer packen und gehen. Ich stand sofort auf. Erst nach ein paar Minuten dachte ich wieder an das Gebet vom Abend oder, besser gesagt, vom Morgen, und ich konnte nicht anders, als meiner Oma und allen Heiligen, ihren Freunden im Paradies, in Gedanken ein stillschweigendes und sehr ironisches »Danke« zu sagen. Bei unseren 300 000 Heiligen hatte sie wirklich nicht einen arbeitslosen finden können, der sich um mich kümmerte? Schon recht, daß ich ihr nicht besonders viel Zeit gelassen hatte, aber im Paradies existiert keine Zeit, da existiert nur die Ewigkeit ... Da konnte ich lange warten, daß sich mein Wunsch erfülle! ...
Während ich diese Dinge dachte, blitzte einen Augenblick lang vor mir ein Bild auf. Ich versuchte, es zu rekonstruieren, aber es blieb bloß ein Erinnerungsfetzen, die Erinnerung des geträumten Traums, bevor ich geweckt wurde: Da war meine Oma, und ich sagte mir dauernd, daß das nicht sein konnte, weil sie schon tot war; sie las in meinen Gedanken, gab mir zur Antwort, das sei ein Traum und sie sei wirklich tot und im Paradies; ich fragte sie, wie das Leben dort wäre, und sie antwortete, man würde sie gut behandeln, und sie esse täglich Spaghetti mit Tomatensugo ... Ich erinnerte mich an nichts anderes, aber die Sache selbst machte mich stutzig, daß ich von meiner Oma geträumt hatte, von der ich, seit sie tot war, nie geträumt hatte, nicht einmal an ihrem Todestag.
Der Gedanke gefiel mir, daß sie nicht früher in meinen Träumen erschienen war, weil sie meinte, ich sei noch nicht bereit, und mich deshalb nicht mit ihrer Gegenwart verstören wollte: Sie wollte sich erwünscht fühlen, gerufen. Ich konnte mir aber die Bedeutung dieses Traums nicht erklären. Das einzig Gewisse war, daß ich nicht einmal von ihr Hilfe erhalten hatte, und das entmutigte mich noch mehr und verstärkte mein Gefühl, einsam, klein und liebebedürftig zu sein.
Unterdessen waren bei mir zu Hause die großen Vorbereitungen für meinen Abschied eifrig in Gang: Meine Mutter suchte fieberhaft nach Koffern und großen Schachteln, Reisetaschen und Einkaufsnetzen; wie eine Besessene öffnete sie die Schubladen, zog alle meine Sachen heraus und warf sie eilig in den offenen Koffer. Mein Vater half ihr, suchte überall und entfernte alles, nicht nur alles, was mir gehörte, sondern was ich auch nur einmal in den Fingern gehabt hatte: Von meinem Aufenthalt in diesem Haus sollte keine Spur zurückbleiben, auch mein Geruch mußte verschwinden. Und zwar so schnell wie möglich.
Auf jedes in den Koffer gelegte Kleid folgte irgendeine Bemerkung meiner Mutter: Jetzt war gerade der rote Rock mit den schwarzen Punkten dran (»Nicht einmal das Geld für den Stoff hätte ich ausgeben sollen!«) und dann der grüne Wollpullover (»Der war von meiner Mama, und ich habe ihn diesem Flittchen gegeben«). Dann der weiße Rock, die blaue Jacke und das weiße Hemd von meinem Vater ... Jedes Kleidungsstück lieferte ihr einen Anlaß zurückzudenken, was geschehen war, und mich immer mehr zu verfluchen (»Gürtelhiebe und Ohrfeigen hätte sie gebraucht, da hätte ich sehen wollen, ob sie eine Nutte geworden wäre!«). Schließlich war das Werk vollbracht, und meine Mutter brach in Tränen aus.
Ich hoffte, dieser Weinkrampf wäre eine Art später Reue, noch rechtzeitig und von der Vorsehung geschickt, zumindest, was mich betraf; ich dachte, daß im Grunde und allem Anschein zum Trotz auch meine Mutter immer noch eine Mutter war und ich, so entehrt ich auch war, noch immer ihre Tochter, ob sie wollte oder nicht.
»Jetzt überlegt sie es sich anders und schickt mich nicht mehr zu Tante Vannina.«
Wünsche, Hoffnungen, diktiert von Verzweiflung und gewiß nicht von Vernunft, denn hätte ich auch nur einen Moment überlegt, wäre ich gleich darauf gekommen, wie absurd meine Hoffnung war: Meine Mutter weinte zwar, aus Kummer, aber wegen ihres Kummers, wegen des Gedankens, meine Tante Vannina würde herumerzählen, was ihrer Familie zugestoßen war. Sie war wie üblich davon überzeugt, » I rrobbi lorda si lavunu dintra . Schmutzige Wäsche wäscht man zu Hause«, aber gleichzeitig fand sie keine passendere Lösung. Wieder fing sie an, mich zu beschimpfen, und, damit nicht genug, lief sie mir jetzt durch die ganze Wohnung nach; dank des Überraschungseffekts erwischte sie mich auch, packte mich an den Haaren, ließ mich mit meiner langen Mähne den Fußboden aufwischen und drehte und

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