Ich wollte Liebe und lernte hassen
Scheißspeicher raus und so saß ich die ganze Nacht da. Ich fror und konnte auch nichts dagegen machen. Der Speicher war zwar groß, aber bewegen konnte man sich vor lauter Gerümpel nicht, da man sich sonst alle Knochen gebrochen hätte, weil man in der Dunkelheit über alles gestolpert wäre.
Ich saß nun schon die ganze Nacht da und draußen wurde es schon hell. Geschlafen hatte ich die ganze Nacht nicht, da ich zuviel Schiß hatte und zuviel Ekel vor den Spinnen. Als es dann richtig hell war und draußen schon die Traktoren auf den Straßen knatterten, ging die Tür vom Speicher auf und Mutti ließ mich raus. Sie sagte: »Na, wie war’s? Das wird für dich eine Lehre sein und jetzt mach dich fertig, es ist Zeit für die Schule.« Ich stand von der Treppe auf und ging ins Bad. Dort schrubbte ich mich ab, denn ich fühlte mich als wenn ich den ganzen Dreck vom Speicher auf meiner Haut hätte. Jetzt erst merkte ich die Müdigkeit, die ich die ganze Zeit verdrängt hatte. Ich wäre jetzt am liebsten in mein Bett gegangen und hätte den ganzen Tag geschlafen. Das ging aber nicht, da ich ja zur Schule mußte.
Im Schulbus schlief ich schon fast ein, und während der ganzen Zeit im Unterricht döste ich vor mich hin. Zum Glück bemerkte Frau Riegelsberger das nicht, aber Sonja hatte es bemerkt. In der Pause lief ich ein paar Mal um den Hof, damit ich nicht einschlafe, und da Sonja immer mitlief, begann sie mich auch gleich zu fragen: »Warum bist du denn so müde, hast du wieder die halbe Nacht arbeiten müssen?« »Nein, ich bin die ganze Nacht auf dem Speicher gewesen und habe Mäuse gezählt.« »Ja warum denn das?« »Ich hatte mit meinem Alten Ärger, und der hat mich auf den Speicher gesperrt, der verreckte Säufer.« »Na so was darfst du von deinem Vater jetzt auch nicht sagen. Aber daß er dich auf den Speicher gesperrt hat, war auch nicht richtig.« Wir quatschten noch die ganze Zeit über belangloses Zeug und dann ging ich auf die Toilette, um mir das Gesicht unters kalte Wasser zu halten. Es half sogar, denn es vertrieb die Müdigkeit, und ich konnte sogar ein wenig aufpassen im Unterricht. Da heute noch der Tag war, an dem Sonja und ich unsere Extrastunde hatten, und Sonjas Mutter nicht zu Hause war den ganzen Tag, gingen wir zu Sonja nach Hause. Da sie in Nenzingen wohnte und es nicht weit bis zur Schule hatte, waren wir auch schnell bei ihr. Sie schloß die Haustüre auf, und als ich dann so die Wohnung anschaute, war ich ganz verblüfft. Die Wohnung war gut eingerichtet und sehr sauber. Wir gingen dann auf Sonjas Zimmer und dort legte ich mich auf ihr Bett. Ihr Zimmer war auch nicht schlecht eingerichtet und überall standen Kuscheltiere herum, die sie sammelte. Da ich wahnsinnig aufgeregt war, war meine Müdigkeit gar nicht mehr so stark.
Sonja legte sich neben mir aufs Bett und wir schmusten die ganze Zeit herum. Wir haben nicht gevögelt, nein, nur geschmust, und das tat mir so gut, daß ich gar nicht nach Hause wollte. Aber schließlich rappelte ich mich dann doch auf, und Sonja begleitete mich zum Bus.
Zu Hause war die Kneipe gerammelt voll als ich eintrat, und ich marschierte gleich an meine Arbeit. Sieglinde war richtig froh, daß ich ihr zu Hilfe kam und ihr die Theke machte. Mutti verschwand aus der Küche, als sie mich sah, und überließ mir gleich auch noch die Arbeit des Anrichtens. Es tat mir gut, das Rumspringen wie ein Wiesel, denn dann spürte ich meine Müdigkeit nicht mehr, und der Tag würde für mich leichter werden.
Als das Mittagsgeschäft zu Ende war und Mutti schon in ihrem Bett lag, um ihren täglichen Mittagsschlaf zu genießen, fragte ich Sieglinde: »Du, kannst du durcharbeiten?« »Ja, warum denn?« »Weil ich mich ein bis zwei Stunden aufs Ohr hauen muß.« »Ja, warum bist du denn so müde?« »Ganz einfach, weil ich heute nacht keine einzige Minute geschlafen habe. Arbeitest du nun weiter für mich, ja oder nein?« »Ja, das mach ich schon.« »Und wenn meine Mutter dich fragen sollte, warum du noch oder schon da bist, sagst du einfach, du seist früher gekommen, weil du Langeweile hattest. Okay?« »Okay, das läßt sich machen, also dann hau dich aufs Ohr.« »Ich dank dir vielmals«, sagte ich und drückte ihr zum Dank einen Kuß auf die Wange. Dann drehte ich mich um und verschwand im Aufenthaltsraum und legte mich auf das Sofa. Ich schlief sofort ein, denn ich war ja hundemüde.
Auf einmal wurde ich geweckt und Sieglinde stand neben mir. »Hey, es ist Zeit zum
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