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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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steckte das miese Zeugnis in meine Schulmappe und hatte nur einen Gedanken: Das ist die Freikarte für eine knallharte Tracht Prügel.
    Als ich mich von Sonja verabschiedet hatte und nun im Bus saß, kamen mir ein paar Gedanken, wie zum Beispiel: Abhauen von zu Hause. Das ist Blödsinn, die Polizei kriegt mich ja doch wieder. Das Zeugnis gar nicht abgeben. Nein, das ging auch nicht, dann das würde spätestens in ein paar Tagen auffallen.
    Dann kam mir der härteste Gedanke. Umbringen, ja mich einfach umbringen, so kommt man um die eine Tracht Prügel herum und mit dem ganzen Ärger ist Schluß.
     
    Der letzte Gedanke schoß mir so einfach in den Kopf und ich fing an zu überlegen, wie ich es machen wolle. Mit Strom, der ist wahrscheinlich zu schwach. Tabletten nehmen, das ist zu unsicher. Die Pulsadern aufschneiden hat auch keinen Wert, da ich ja soviel arbeiten mußte und wenn ich nicht an meinem Arbeitsplatz bin, würde man mich suchen und finden, das ist genauso wie mit den Tabletten. Das hatte alles keinen Sinn, ich mußte mir etwas anderes einfallen lassen.
    Dann kam mir der Gedanke, nach dem ich gesucht hatte, man brauchte dafür nur einen Gegenstand. Aufhängen, ja genau, das ist die richtige Todesart. Schnell und billig.
    Ein Seil lag im Tanzsaal und das war auch stark genug für mich. Zu Hause sagte ich nichts von dem Zeugnis, denn meine beiden kleinen Geschwister bekamen erst morgen Zeugnisse, da das in der Grundschule so üblich war und Frau Riegelsberger ja sowieso immer von der schnellen Truppe war.
    Ich machte den ganzen Tag meine Arbeit wie sonst auch und gegen Abend fand ich mich mit dem Gedanken schon ab, daß ich heute nacht sterben werde.
    Ich futterte noch zwei Aufputschpillen, da ich ja noch einen Abschiedsbrief schreiben mußte heute nacht und auch mich noch aufhängen, und einschlafen wollte ich vorher nicht.
    Gegen halb zwei Uhr war dann Feierabend und ich ging in mein Zimmer. Dort legte ich mich kurz ins Bett, bis es im Haus ruhig war. Dann setzte ich mich an meinen Tisch im Zimmer, machte eine Kerze an und fing an, meinen Abschiedsbrief zu schreiben. Ich schrieb nichts Besonderes, sondern nur ungefähr:
    Liebe Mutti und lieber Pappa.
    Da ich ein schlechtes Zeugnis habe, und keine Schläge deswegen will,
    bringe ich mich um.
     
    Letzter Gruß
    Euer Fritz.
    Das war alles, was ich geschrieben hatte. Dann ging ich mit der Kerze in den großen Tanzsaal, um mir den Strick zu holen.
    Mir wackelten die Knie, als ich den Strick vom Boden aufhob.
    Mit dem Strick in der Hand ging ich dann auf den Speicher und suchte mir mit der Kerze einen geeigneten Platz, an dem ich in Ruhe hängen konnte.
    Nach kurzem Suchen fand ich dann auch eine passende Stelle. Es war ein Balken, der ungefähr die Dicke von einem männlichen Oberarm hatte. Ich stellte die Kerze auf den Boden und fing an eine Schlaufe zu knüpfen. Als der Strick fertig war, sah er zwar nicht so aus wie die in den Western, aber er sah kräftig aus und würde mich halten.
    Das eine Ende des Strickes schmiß ich dann über den Balken.
    Da ich zu kurz war und den Balken nicht erreichte, suchte ich mir etwas zum Drauf stehen. Ein alter morscher Stuhl diente dazu. Ich stellte ihn unter den Balken, stieg darauf, knotete das Seil an den Balken und schaute, ob das Seil auch die richtige Länge hätte. Als ich dann mit meiner Arbeit zufrieden war, legte ich mir die Schlinge um den Hals.
    Das war ein merkwürdiges Gefühl, dazustehen und die Schlinge um den Hals zu haben. So stand ich dann einige Minuten, und es war nur noch ein Sprung bis zu meinem Ende.
    Da der Stuhl alt war, quietschte und knarrte er, und ich dachte mir, wenn er jetzt zusammenbricht, dann brauch ich nicht einmal mehr zu springen.
    Ich hatte nicht den Mut vom Stuhl zu springen. Warum wußte ich auch nicht. Ich stieg langsam wieder vom Stuhl, und setzte mich dann auf ihn. Über mir baumelte der Strick. Ich konnte nicht mehr. Ich schaute nur noch in die flackernde Flamme der Kerze. Da saß ich nun, zu feige vom Stuhl zu springen und mit allem Schluß zu machen.
    Als die Kerze fast abgebrannt war, nahm ich sie und ging, nachdem ich den Strick heruntergeholt hatte, wieder in mein Zimmer. Dort schmiß ich den Strick unters Bett, nahm den Brief, den ich geschrieben hatte, zerknüllte ihn und warf ihn in den Mülleimer.
    Ich legte mich aufs Bett und fing an zu weinen. Ich heulte eine halbe Ewigkeit, aber es tat mir gut. Einschlafen konnte ich nicht, das kam bestimmt von den

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