Ich wuensch mir dich
Gesicht war hinter einem riesigen Busch aus Schnittblumen versteckt, die in dem Eimer standen, den er, an seinen Bauch gepresst, mit beiden Armen vor sich hertrug. Zusätzlich hielt jede der beiden Hände ein Blumenbukett. Lara hätte dem sicher keine weitere Beachtung geschenkt, wenn nicht die Beine unter dem Eimer in einem grünen Hosenstoff steckten, der ihr bekannt vorkam. Und auch wenn die Pulloverärmel nicht grau, sondern braun waren, erinnerten sie sie an jemanden ganz bestimmtes.
Eine Entschuldigung murmelnd, stand Lara auf. Mit klopfendem Herzen ging sie auf Emily zu und nahm ihr die Blumen aus der Hand. Offensichtlich in der Annahme, dass einer der Restaurantmitarbeiter zu Hilfe geeilt war, drang ein gemurmeltes »Danke« durch die Schnittblumen.
Erst als Lara fragte: »Wohin?«, schob sich Emilys Kopf an den Blumen vorbei und ein verdutztes »Oh, hallo« entschlüpfte ihrem Mund. Sie fing sich aber schnell und machte eine Kopfbewegung nach rechts, wo der Gang zu den Toiletten lag.
»Dorthin. Einfach an die Seite.«
Lara ging vor.
»Hast du noch mehr im Auto?«, fragte sie, als Emily den Eimer abgestellt hatte.
»Ja.«
»Ich helfe dir.«
Doch Emily wehrte ab. »Das ist nicht nötig. Du machst dich nur schmutzig.« Sie ging wieder in den Gastraum.
Lara wartete, bis Emily wiederkam. »Wie geht es dir?«
Emily, diesmal mit einer Kiste voller Ministräuße beladen, sah sie kaum an. »Wie soll es schon gehen? Unkraut vergeht nicht. Wer wüsste das besser als ich?« Der bittere Unterton in ihrer Stimme war unüberhörbar.
Lara trat an Emily heran. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
Emily schüttelte den Kopf, wollte an Lara vorbeigehen, doch die hielt sie am Arm zurück, drehte Emily zu sich.
»Emily, bitte, auch wenn es anders aussieht und es schwer zu glauben ist, aber ich habe an dem Feuer keine Schuld. Ich weiß nicht, wie meine verdammte Uhr in deine Halle kam. Ich war jedenfalls nicht da!« Lara legte ihre Finger unter Emilys Kinn, wollte, dass sie sie ansah. Doch Emily zog den Kopf weg und schaute zur Seite. Laras Hand sank nach unten. »Verstehe«, sagte sie leise. Emily konnte ihr nicht einmal mehr in die Augen sehen. Dann hatte Nadine es also geschafft. Nun war auch Emily davon überzeugt, dass sie die Lagerhalle angezündet hatte.
»Ich bin mit Wengert hier, dem Architekten für das neue Restaurant«, bemühte Lara sich, das Gespräch auf neutralen Boden zu ziehen. »Möchtest du mit an unseren Tisch kommen?«
»Nein, ich …« Emily zögerte. »Ich fürchte, ich werde keine Zeit haben, bei dem Projekt mitzumachen. In den letzten Wochen ging in der Gärtnerei alles drunter und drüber. Da muss ich mich vorrangig darum kümmern, dass dort alles wieder ins Lot kommt. Die Gärtnerei steht an erster Stelle.«
Lara nickte. »Na klar.« Ihre Enttäuschung verbarg sie, so gut es ging, indem sie im Plauderton erzählte: »He, es gab übrigens Entwarnung in Sachen Erpressung. Die Polizei geht von einer vorsätzlichen, aber falschen Drohung aus. Irgendwer wollte mir einen Schreck einjagen. Na ja, ist ihm auch gelungen.«
Das interessiert Emily nicht, Lara. Sie will gehen, das siehst du doch.
»Also, ich muss dann mal wieder zurück.« Lara zeigte unbestimmt in den Gastraum. »Wengert wartet. Machs gut.«
»Du auch«, erwiderte Emily leise und eilte an Lara vorbei nach draußen. Laras Augen verfolgten sie, bis die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.
***
Emily hatte sich beherrschen können, bis sie wieder im Wagen saß. Jetzt presste sie beide Hände vors Gesicht und schluchzte.
Sie hatte gedacht, sie wäre auf die Begegnung mit Lara vorbereitet. Mehr als einmal hatte sie sich alles in Gedanken vorgestellt. Sie wollte Lara sagen, dass es ihr schwerfiel zu glauben, was die Polizei und Nadine sagten. Dass sie Zweifel hatte. Trotz allem. Sie wollte ihr sagen, dass sie auch an Nadine Zweifel hatte, an ihrer Beziehung. Aber als sie Lara dann gegenüberstand, konnte sie sie einfach nicht ansehen. Sie erinnerte sich an den erschreckten Ausdruck in Laras Augen, als sie das erste Mal ihre Brandnarben sah. Die Bestürzung darin und die Unsicherheit. Auch wenn sie natürlich versucht hatte, dies zu verbergen.
Alle in ihrer Umgebung versuchten das. Emily konnte die Beklemmung spüren, die sich unweigerlich in die Gespräche einschlich. Sie spürte sie bei Nadine, bei Katja, bei Michael. Dagegen war es fast erholsam, wenn mal der Sprössling eines Kunden sie anstarrte und direkt fragte, was sie
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