Ich wuensch mir dich
beispielsweise bei Narben, wird in der Regel ein Jahr nach der Verbrennung in Betracht gezogen, bei Bewegungseinschränkungen auch früher.«
Nadine sah von der Broschüre in ihrer Hand auf. »Schatz, deine Narben können nach einem Jahr wegoperiert werden.«
Emily, die nur mit halbem Ohr zugehört hatte, wurde aufmerksam. »Steht da, wie gut die Aussichten auf eine vollständige Heilung sind?«
Nadine schaute in die Broschüre. »Hm, warte mal … nicht so direkt. Hier heißt es: Unser Ärzteteam wird gemeinsam mit Ihnen den optimalen Korrekturzeitpunkt wählen: Dank der langjährigen Erfahrung mit schwer Brandverletzten können die plastischen Chirurgen den Verlauf der Narbenentwicklung, die Erfolgsaussichten konventioneller Maßnahmen, wie Narbenmassage, Silikon und Kompression, sowie die operativen Korrekturmöglichkeiten von Narben sehr gut einschätzen.«
Emily verzog die Mundwinkel. »Gut einschätzen«, wiederholte sie bitter. »Was soll das denn bedeuten?«
»Das weiß ich auch nicht. Aber wenn du zur Nachbehandlung gehst, kannst du die Ärzte ja fragen.«
Emily seufzte nur. Sie wollte sich keine falschen Hoffnungen machen. Für weitere Enttäuschungen fehlte ihr jegliche Kraft. Sie zog sich wieder in sich zurück. Etwas störte sie jedoch bei dem Versuch, ihre Umwelt zu vergessen. Da war ein Geräusch, das sie nicht zuordnen konnte. Also hob sie den Kopf, den sie gerade in die Wolldecke vergraben hatte, und horchte. »Was ist das?«, fragte sie Nadine.
»Was denn?«
»Da klopft wer.«
»Ich höre nichts.«
»Aber ich. Es kommt von der Eingangstür. Hast du die Klingel abgestellt?«
»Ja, damit du, falls du schläfst, nicht gestört wirst. Klopft da wirklich jemand?« Nadine stand auf und öffnete die Wohnzimmertür. »Tatsächlich«, sagte sie jetzt. »Ich geh mal nachsehen. Bleib du nur liegen.« Sie ging, nicht ohne die Wohnzimmertür wieder hinter sich zu schließen.
Was immer sich an der Wohnungstür abspielte, jemand war sehr aufgeregt. Emily hörte eine durch die Tür zwar gedämpfte, aber dennoch laute Stimme. Und sie glaubte zu wissen, wem diese Stimme gehörte. Ihr Magen verkrampfte sich.
So lange hatte sie auf die Gelegenheit gewartet, mit Lara zu sprechen, und nun fühlte sie sich nicht in der Lage, vom Sofa aufzustehen.
Plötzlich aufkommender Ärger befreite Emily aus ihrer Erstarrung. Lara hatte sie nicht einmal im Krankenhaus besucht. Was wollte sie jetzt hier? Sie ging zur Wohnzimmertür, öffnete sie und sah die beiden Frauen, die sich an der Haustür wie Kampfhähne gegenüberstanden. Mit wenigen Schritten war sie bei ihnen, schob Nadine resolut beiseite und trat vor Lara. Die war bei ihrem Anblick erstarrt und vergaß jedes weitere Wort.
»Ja, sieh nur hin, was du ihr angetan hast!«, belferte Nadine hinter Emily.
Lara schaute Emily mitfühlend an und machte einen Schritt auf sie zu. »Das tut mir so leid, Emily.«
Emily wich zurück. »Warum bist du hier?« Ihr Ärger von eben war schon wieder verraucht. Dafür waren Schmerz und Enttäuschung umso größer.
»Ich war mehrmals im Krankenhaus und wollte dich besuchen«, sagte Lara. »Aber sie«, ihr Finger deutete auf Nadine, wobei ihre Augen aufblitzten, »hat mich jedes Mal vom Personal rausschmeißen lassen.«
Verblüfft drehte Emily sich zu Nadine um. »Was hast du?«
»Na und wenn schon«, blaffte die.
»Hast du wenigstens meine Blumen und die Nachricht bekommen?«, erkundigte sich Lara.
Emily sah wieder zu Lara. »Ich habe nichts bekommen.«
»Emily, ich habe das Feuer nicht gelegt«, versicherte Lara. »Das musst du mir glauben.«
»Und wieso sollte sie das tun?«, mischte Nadine sich ein. »Die Beweise sind eindeutig. Es war deine Uhr, die die Polizei in den Trümmern der Halle fand.«
Emilys Blick wanderte erneut zu ihr. »Nadine, würdest du uns bitte einen Moment allein lassen«, bat sie. Als Nadine keine Anstalten machte, schaute sie eindringlicher und wiederholte: »Bitte lass uns einen Moment allein.«
Widerwillig ging Nadine in die Küche.
»Emily, glaub ihr nicht«, flehte Lara. »Sie hat das alles irgendwie eingefädelt.«
Das war endgültig zu viel für Emily. Jetzt fing Lara auch noch so an. Wem von den beiden sollte sie denn glauben?
Die Fakten, Emily, halt dich an die Fakten.
Nadine war eifersüchtig, das war unbestritten. Aber würde sie so weit gehen, dass sie mit solchen Mitteln versuchte, eine Konkurrentin aus dem Weg zu räumen? Und wie hätte Nadine das überhaupt anstellen sollen?
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