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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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fuhrst du schon zum nächsten und rolltest dabei den Maschendraht weiter aus. Anscheinend warst du fast fertig. Ich war schon eingezäunt.
    Ich lehnte mich gegen den Felsen. Hier oben über den Bäumen brannte mir die Sonne heiß ins Gesicht und ich war auf einmal komplett am Ende. Ich schloss die Augen und versuchte alles auszublenden.
    Als ich sie wieder aufmachte, stand der Wagen mit offener Fahrertür auf der Gegenseite des Zauns und deine Stiefel ruhten auf dem Rahmen des heruntergelassenen Fensters. Ich sah Zigarettenrauch aufsteigen.
    Ich hielt mich an den Zweigen fest und blickte zurück zum Haus, betrachtete das trostlose Land rundherum. Ein leichter Wind wirbelte Pflanzenteilchen herum. Weit in der Ferne konnte ich wieder diese hügelartigen Schatten sehen. Sie waren furchtbar weit weg, aber trotzdem gaben sie mir einen winzigen Funken Hoffnung. Abgesehen davon war der Felsvorsprung, auf dem ich stand, die einzige Anhöhe weit und breit. Zum ersten Mal überhaupt fragte ich mich, wie du diesen Ort wohl gefunden hattest. Gab es hier wirklich überhaupt keine anderen Menschen? Waren da wirklich nur wir? Vielleicht hatten alle Wüstenforscher auf halber Strecke aufgegeben oder waren gestorben. In dieser Landschaft überleben zu können, war geradezu verrückt. Sie wirkte, als läge sie auf einem anderen Planeten und nicht auf der Erde.
    Ich merkte, wie mein Hals eng wurde, und am liebsten hätte ich gleich wieder losgeheult. Aber ich verbot es mir; ich musste stark sein, sonst würde ich auf diesem Baum sitzen bleiben, bis ich irgendwann vor Hunger oder Durst starb. Dad hatte mal gesagt, zu verdursten sei der schmerzhafteste Tod überhaupt. Angeblich spaltet sich die Zunge des Verdurstenden und nach und nach versagen die inneren Organe … sie blähen sich und brechen irgendwann auf. Das wollte ich nicht.
    Darum beschloss ich, zur großen Lichtung zurückzukehren. Ich würde warten, bis es dunkel war, und mich dann zu dem Zaun schleichen; vielleicht konnte ich ja irgendwie darüberkommen oder untendrunter durch. Das war bestimmt nicht allzu schwierig. Dann würde ich zurück zum Haus laufen, mir Vorräte und Kleidung holen, falls ich das hinbekam, und natürlich auch Wasser – und schließlich in die Wüste aufbrechen, zu den Schattenhügeln in der Ferne. Irgendwann würde ich schon eine Straße oder eine Piste oder irgendwas in der Art finden. Das konnte gar nicht anders sein.
     
     
    Es wurde kalt, noch bevor es dunkel wurde. Schon lange bevor der Mond aufging, zitterte ich vor Kälte. Ich krümmte mich zusammen und schmiegte mich mit klappernden Zähnen dicht an die Felsen.
    Ich hatte noch nie eine Nacht im Freien verbracht. Mir war klar, dass es hier nachts viel kälter war als tagsüber, sogar im Haus hatte ich spüren können, wie die Temperatur fiel. Trotzdem hatte ich diese Art von Kälte nicht erwartet. In diesem Moment fühlte es sich kälter an als jede Winternacht daheim. Verrückt, dass die Wüste tagsüber irre heiß war und in der Nacht dann irre kalt. Vermutlich liegt es daran, dass die Wolken fehlen – es gibt nichts, was die Hitze hält. Sie verschwindet einfach, genau wie der Horizont. Wahrscheinlich war es darum auch so hell in dieser Nacht: Nichts konnte den Mond verbergen.
    Darüber war ich froh. Es bedeutete, dass ich meinen Weg durch die Felsen ziemlich leicht finden würde. Und es bedeutete, dass ich den Boden nach schlangenförmigen Schatten absuchen konnte. Ich begann hin- und herzulaufen, um halbwegs warm zu bleiben. Aber irgendwann konnte ich nicht mehr länger warten. Ich tappte auf dem schmalen Pfad, auf dem ich gekommen war, zurück zum Rand der Separates.
    Von dort aus betrachtete ich den Zaun, den du gebaut hattest. Er war ziemlich hoch, sah aber nicht besonders stabil aus. Ich rieb mir die Arme. Mir war so kalt, dass ich kaum an was anderes denken konnte. Du machtest anscheinend Kontrollrunden mit dem Auto, denn ich hörte das Motorengeräusch deines Wagens immer wieder näher kommen. Wobei eines ziemlich gut war für meinen Plan: Ich konnte dich schon hören, wenn du noch ewig weit weg warst. Aber meine Zähne klapperten inzwischen so laut, dass ich Angst hatte, du könntest mich auch hören. Ich fragte mich, was du dachtest. Ob du wohl genau wusstest, wo ich war?
    Ich schlang die Arme ganz fest um mich und sah hoch zu den Sternen. Wäre mir nicht so kalt gewesen und hätte ich nicht unbedingt von hier fortgewollt, dann hätte ich Ewigkeiten lang schauen wollen: Diese

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