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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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viel Zeit ich damit verbrachte, einen Weg nach draußen zu suchen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, doch hier drin verlor man jedes Zeitgefühl. Immerhin war mir jetzt klar, dass du mir nicht gefolgt warst. Noch nicht. Ich klammerte mich verzweifelt an die Hoffnung, du würdest glauben, dass ich woandershin gelaufen war. Ich probierte es mit einem Pfad, der noch schmaler war als die bisherigen, und machte mich so dünn wie möglich, um mich zwischen den Felsen durchzuquetschen. Als ich am Ende wieder auf der Hauptlichtung landete, wurde mir klar, dass ich die ganze Zeit im Kreis gegangen war.
    Das war der Moment, in dem ich endlich zu mir kam und meinen Geistesblitz hatte.
     
     
    Direkt neben einem Felsen wuchs ein hoher Baum mit weißer Rinde und dicken, kräftigen Ästen. Daran zog ich mich hoch. Als Kind war ich immer gern auf Bäume geklettert, auch wenn ich es nicht so oft getan hatte, wie ich gewollt hätte. Mum hatte immer Angst, ich könnte runterfallen. Es war seltsam, wieder auf einem Baum zu sein, und zuerst war ich mir unsicher, wo ich meine Füße hinsetzen sollte. Aber bald hatte ich den Dreh wieder raus. Ich schlang die Arme um den Stamm und zog mich immer weiter nach oben. Nur als direkt vor mir eine kleine braune Spinne weghuschte, machte ich halt. Danach brauchte ich meine ganze Willenskraft, um weiterzuklettern.
    Oben anzukommen war allerdings frustrierend. Überall Zweige und Blätter, die mir die Sicht versperrten. Ich atmete tief ein, schloss Mund und Augen und versuchte die Zweige wegzuschieben. Dabei regnete alles mögliche Zeug auf mich herunter. Ich wollte lieber gar nicht erst wissen, was das alles war, darum fegte ich es, ohne genauer hinzuschauen, weg. Aber ich merkte trotzdem, dass Insekten auf mir herumkrabbelten, spürte ihre Beine in meinen Haaren. Ich klammerte mich an die Zweige ganz oben, stellte einen Fuß auf die Felsoberfläche und stemmte mich hoch.
    Dann blickte ich nach draußen.
    Ich hielt mir die Hand über die Augen. Es war nichts zu sehen als Sand und Weite und Horizont. Indem ich mich an den Zweigen festhielt, schaffte ich es, mich zu drehen, wobei ich mir das Bein am Felsen aufschürfte. Aber es gab keine Gebäude auf der andern Seite, keine Städte … nicht mal eine Straße. Es sah dort haargenau so aus wie um das Haus herum. Weit, flach und vollkommen leer. Am liebsten hätte ich geschrien – wahrscheinlich habe ich es nur darum nicht getan, weil ich Angst hatte, dass du mich hörst. Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, hätte ich mich erschossen.
    Ich ließ mich zurück in die Baumkrone sinken, legte den Kopf auf einem Ast ab und drückte mir die Handballen gegen die Augen. Dann schlang ich die Arme um den Ast und presste mein Gesicht in die Rinde. Sie war rau und zerkratzte meine Wange, aber ich drückte mich immer weiter dagegen und versuchte mein Schluchzen in den Griff zu kriegen.
    Es hört sich verrückt an, aber in diesem Moment konnte ich an nichts anderes denken als an meine Eltern am Flughafen. Was hatten sie gedacht, als ich nicht rechtzeitig zum Abflug aufgekreuzt war? Was hatten sie in der Zwischenzeit wegen mir unternommen? Ich schmiegte mich an die Rinde und wollte mich an das zurückerinnern, was wir als Letztes zueinander gesagt hatten. Aber es fiel mir nicht mehr ein. Und da musste ich noch mehr weinen.
     
     
    Ich hatte mich fast wieder beruhigt, da hörte ich das Auto. Rasch hangelte ich mich wieder hoch zur Baumspitze und auf den Felsen. Beinah verlor ich das Gleichgewicht, als ich nach einem Ast griff. Erst suchte ich den Horizont ab, dann die Gegend direkt um die Felsgruppe herum. Da! Unterhalb von mir tauchte dein Wagen auf.
    Ich brauchte eine Weile, bis ich kapierte, was du da machtest. Zuerst dachte ich, dort wäre schon immer ein Zaun gewesen. Dann wurde mir klar, dass du ihn aufstelltest, genau in diesem Augenblick. Mir wurde ganz flau. Deshalb warst du mir also nicht gefolgt – weil du die ganze Zeit über die Separates umkreist hattest, um mich dort einzusperren, weil du eine Falle für mich bautest, wie für ein Tier. Ich hatte mich so in meine Suche nach einem Weg durch die Felsen vertieft, dass ich nicht mal das Motorengeräusch gehört hatte.
    Ich sah zu, wie du den Zaun aufstelltest. Du hattest eine große Rolle dabei, anscheinend Maschendraht, und wenn du zu einem von den Pfosten kamst, die ich im Boden hatte stecken sehen, nageltest du ihn daran fest. Du warst schnell, brauchtest nur ein paar Minuten pro Pfosten, dann

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