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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Nachtluft hängen. Ich drängte mich dicht gegen den Felsen und legte den Kopf zurück, um dem Geruch auszuweichen. Ich wollte meine Finger zu Fäusten ballen, aber sie waren derart steif vor Kälte, dass es wehtat.
    Wieder einmal war ich dir in die Falle gegangen; es war nur eine Frage der Zeit, bis du mich aufspürtest. Ich ließ mich an der Felswand runterrutschen und vergrub meine Hände im teils noch warmen Sand.
    Du nahmst diese Bewegung wahr. So kamst du bis dicht an den Zaun heran, legtest die Handflächen dagegen und schautest eingehend zu mir herüber. Dann liefst du zurück zum Auto und kamst mit einer Drahtschere wieder. Während du dich am Zaun zu schaffen machtest, fiel Mondlicht auf deine Haut und ließ einen Teil deines Gesichts aufleuchten. Du machtest einen Schlitz in den Zaun und bogst den Draht zurück, der sich wie eine Welle krümmte. So entstand ein Loch, das zum Durchsteigen reichte.
     
     
    Ich wehrte mich nicht. Ich tat gar nichts. Mein Körper wurde schlaff und mein Inneres leer. Im Haus wickeltest du mich in Decken. Du brachtest mich dazu, was Heißes zu trinken. Aber mein Körper, mein Kopf und meine Organe waren fest gefroren. Ich war abgetaucht, an einen dunklen, leeren Ort gesunken. Wenn du etwas zu mir sagtest, konnte ich deine Stimme kaum hören. Ich wollte nicht wieder hochkommen. Die Wahrheit war zu schwer, ich mochte sie nicht hören.
    Auf der andern Seite der Felsen gab es nichts, nur das, was hier auch war.
    Egal, wohin ich ging, du würdest mich erwischen.
    Ich kam hier nicht weg.
     
     
    Ich schloss die Augen. Hinter meinen Lidern war es dunkel und ruhig, ich ließ mich dort nieder. Ich rührte mich nicht und machte kein Geräusch. Ich zog mich zurück, immer tiefer und tiefer, bewegte mich durch mein Inneres, durch das Sofa und die Bodenplanken, bis hinunter zu dem dunklen, kühlen Ort unter dem Haus, wo ich mich im Dreck und in der Dunkelheit zusammenkrümmte. Dort wartete ich darauf, dass die Schlange mich fand.
    Es gab sonst nichts, was ich tun konnte …
    … nur auf die Träume warten.
    Ich schlief.
    Mum war bei mir, sie streichelte mir die Stirn. Beruhigend redete sie auf mich ein, mit Worten wie aus einem Wiegenlied. Sie legte mir etwas um die Schultern, hüllte mich mit ihrem Körper ein. Ich spürte ihre Arme und ihren Atem, süß wie stark gezuckerter Tee.
     
     
    Beim nächsten Mal war ich älter. Ich war krank und darum nicht in der Schule. Mum hatte ihren Laptop auf dem Küchentisch stehen, ihr Telefon lag direkt daneben. Ich lag in eine Decke gekuschelt auf dem Sofa. Ich hatte keine Lust, die Teletubbies zu gucken, und Mum wollte nicht, dass ich mir Talkshows ansah.
    »Können wir was spielen?«, fragte ich sie.
    Sie gab mir keine Antwort.
    »Verstecken vielleicht?«
    Nach einer Weile stand ich auf und schlich auf Zehenspitzen zum Trockenschrank. Ich ließ seine schwere Tür über den Teppich scharren und betrat sein dunkles Inneres. Die Luft darin war warm und feucht und der Geruch erinnerte mich an meinen Schulblazer, wenn er nass geworden war. Ich fand einen Platz in der Ecke und wartete, malte mir aus, ich wäre am Meeresgrund … im Bauch eines gigantischen Lebewesens.
    Durch ein Loch in der Wand konnte ich Mum auf ihrem Laptop tippen hören. Aber gleich würde sie aufhören zu arbeiten und mich suchen kommen. Ich wusste genau, dass sie das tun würde. Ganz bald würde sie sich fragen, wo ich steckte.
    Ich tauchte immer tiefer in die Dunkelheit des Trockenschranks … wartete …
    Dann war ich im Krankenhaus. Ich war an Maschinen angeschlossen, die leise piepsten. Ich konnte die Augen nicht öffnen, war aber wach. Leute kamen zu Besuch; Anna und Ben und ein paar andere aus der Schule. Dad saß an meinem Bett und strich mir über den Handrücken. Er roch nach Rauch, so wie er immer gerochen hatte, als ich noch klein war. Eine Krankenschwester war irgendwo in der Nähe, sie meinte, es sei wichtig, immer weiter mit mir zu reden. Eine andere Krankenschwester tupfte meine Stirn.
    Ich streckte die Hand nach Anna aus, langte in die Luft neben ihrem Gesicht. Doch sie sah mich nicht. Ich versuchte zu schreien, versuchte sie dazu zu bringen, dass sie dablieb, alle sollten bei mir bleiben. Aber ich bekam den Mund nicht auf und der Schrei blieb mir in der Kehle stecken.
    Als ich die Augen öffnete, waren sie verschwunden. Die einzige Person, die noch da war, warst du.
     
     
    Ich redete nicht mit dir. Ich lag nur auf dem Bett in diesem schlichten Zimmer und

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