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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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nicht, aber jetzt leben sie als Wildtiere hier«, erklärtest du. »Importe aus Übersee, genau wie du. Sind für den Eisenbahnbau hergebracht worden .«
    »Also gibt’s hier eine Eisenbahn?«
    »Ja, ziemlich weit weg.« Du nicktest. »Und sie fährt so gut wie nie. Hier draußen ist so ziemlich alles stillgelegt.«
    »Wieso?«
    »Hier gibt’s nichts mehr – die Bodenschätze sind abgebaut, die Tiere ausgerottet, sogar die Oldfellas haben sich davongemacht. Dadurch ist es total ruhig. Zu ruhig. Hörst du’s nicht?«
    »Was?«
    Du machtest den Motor aus.
    »Die Stille.«
    Du hieltst dir die Hand über die Augen und sahst hinüber zu den Kamelen.
    »Wolltest du nicht versuchen, eins von ihnen zu fangen?«, fragte ich.
    »Die sind zu weit weg, es bringt nichts, ihnen nachzujagen. Die können nämlich ziemlich schnell rennen. Wenn wir Glück haben, packt sie die Neugier und sie kommen von selbst zu uns. Oder wir müssen zusehen, dass wir festeren Sand finden, auf dem wir schnell genug fahren und sie schnappen können. Wir müssen abwarten, beobachten, was sie treiben.«
    »Wie lange denn?«
    Du zucktest mit den Achseln. »So lange, wie’s eben dauert. Ein paar Stunden oder so.« Du machtest die Tür auf. »Hunger?«
    Ich schüttelte den Kopf; Essen war das Letzte, wonach mir der Sinn stand.
    »Dann mach ich mal die Seile bereit.«
    Du stiegst aus, gingst nach hinten zum Kofferraum und kramtest darin herum. Ich drehte mich im Sitz nach hinten und beobachtete, wie du eine Rolle Seil herauszogst. Die Vorstellung, dass sich dieses Seil um meinen Körper schlingen könnte, ließ mich erstarren.
    Der Schlüssel steckte noch im Zündschloss.
    Ich konnte es tun. Ich konnte an ihn drankommen, wenn ich nur leise genug war. Ich konnte mich über die Handbremse auf den Fahrersitz schlängeln, ganz leicht ginge das. Dann würde ich davonrasen, bevor du eine Chance hattest, es zu verhindern, bevor du überhaupt richtig kapiertest, was los war. Autofahren war garantiert nicht so schwer. Ich hatte es schon mal gemacht und wusste, wie man schaltet. Ich würde dich hier draußen zurücklassen, dich beim Starten vielleicht sogar umfahren.
    Ich beobachtete dich im Rückspiegel. Dein Kopf war nach unten gebeugt, du kramtest im Kofferraum rum. Ich zog das Bein hoch, so dass ich mein Knie auf den Sitz neben der Handbremse legen konnte. Jetzt musste ich das Bein nur noch rüber auf den Fahrersitz strecken und dann meinen Körper hinterherhieven. Ich hob das Bein über die Handbremse. Ganz langsam, Zentimeter für Zentimeter, bewegte ich mich auf deinen Sitz zu. Ich machte dabei nicht das geringste Geräusch, nicht mal das Sitzpolster knarzte. Das Einzige, was ich hörte, war mein Herzklopfen. Ich ließ mich in den Fahrersitz gleiten. Ich legte die Hände aufs Lenkrad. Auch wenn ich die Beine lang machte, kam ich mit den Füßen nicht ganz an die Pedale. Ich schob mich nach vorne, bis ich auf der Kante vom Sitz saß. Ich streckte die Hand nach dem Schlüssel aus. Stille. Mir wurde klar, dass ich dich schon eine Weile lang nicht mehr rumoren gehört hatte. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel.
    Direkt neben mir bewegte sich etwas. Mir stockte der Atem, als ich sah, was es war. Der silbrige Kopf ruhte auf dem Metallrahmen des offenen Fensters, etwa eine Handbreit von mir entfernt. Höchstens eine Handbreit. Die glänzenden bernsteinfarbenen Augen starrten mich an, die Zunge zuckte vor und zurück. Die Schlange nahm meine Witterung auf.
    Ich nahm die Hand vom Zündschloss und schob mich im Sitz zurück, so weit weg von ihr, wie ich konnte. Die Schlange hielt inne. Sie drehte den Kopf. Gleich würde sie mich erwischen. Ich konnte nicht hinsehen. Hastig kletterte ich zurück über die Handbremse. Dabei blieb ich mit dem Fuß hängen. Ich fiel auf den Sitz und knallte mit Kopf und Schultern gegen die Tür. Ich wusste nicht, ob mir etwas passiert war. Konnte es sein, dass sie mich erwischt hatte, ohne dass ich es gemerkt hatte? Der silberbraune Kopf ruhte immer noch auf dem Türrahmen und beobachtete mich.
    In diesem Moment sah ich deine Hände. Auch sie lagen auf dem Rahmen und hielten die Schlange direkt unter dem Kopf fest. Jetzt schob sich auch dein Gesicht in die Fensteröffnung, nur wenige Zentimeter von der Schlange entfernt.
    »Hübsches Tierchen, was? Hab sie bei den Reifen gefunden. Beinah hätten wir sie überfahren … zum Glück ging’s noch mal gut.«
    Ich weiß nicht, ob dir das Entsetzen auffiel, das immer noch in meinem

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