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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Jedes Mal, wenn ich anzog, knurrte und gurgelte das Kamel und drehte den Hals, um mich mit Verzweiflung in den Augen anzusehen. Du zogst auch, von der anderen Seite aus. Am Ende knickten die Vorderbeine der Kamelstute ein und sie kniete sich in den Sand.
    »Genug!«, riefst du.
    Du warfst dich auf den Höcker und drücktest das Tier mit deinem ganzen Körpergewicht nach unten. Du gabst nicht nach, bis die Hinterbeine unter ihm zusammenbrachen und du sicher sein konntest, dass es nicht mehr hochkommen würde. Dann schlangst du ihm schnell ein Stück Seil um die Knie, damit es die Beine nicht mehr strecken konnte.
    »Wie grausam.«
    »Willst du eine Gehirnblutung von einem Tritt an den Kopf?« Du kraultest die Haut über einem der Kamelknie. »Glaub mir, das geht noch viel grausamer.«
    Ich hatte kein Problem, dir zu glauben. Wahrscheinlich kanntest du bei fast allem noch eine grausamere Art. Das Stöhnen der Kamelstute war immer durchdringender und verzweifelter geworden. Es wirkte zu laut, um allein von ihr zu kommen, die ganze Wüste schien mit einzustimmen. Ich fragte mich, ob irgendwer sonst es hören konnte. Die übrige Herde war inzwischen nur noch als eine Reihe von Punkten am Horizont zu sehen. Trotzdem versuchte die Kamelstute weiter, irgendwie zu den andern zu kommen.
    »Du träumst, wenn du meinst, dass du von hier weg kannst, Mädchen«, murmeltest du vor dich hin.
    Die Stute war jetzt an vier Beinen gefesselt und am Wagen festgebunden. Es war wirklich kaum vorstellbar, dass sie irgendwie freikäme. Ich wünschte es mir aber so sehr. Ich wünschte mir, sie würde die Seile zerreißen und laut rufend ihrer Herde hinterhergaloppieren.
    »Würdest du mich denn mitnehmen?«, flüsterte ich ihrer warmen, hechelnden Flanke zu.
    Ich ging vor, um ihr Gesicht zu betrachten. Trotz ihrer Angst hatte sie schöne Augen. Braun und dunkel, mit Wimpern, die ganz weich zu sein schienen. Sie hörte auf, ihrer Herde hinterherzublicken, und sah stattdessen mich an.
    »Du bist jetzt auch gefangen«, erklärte ich ihr. »Glaub bloß nicht, du könntest abhauen. Er kriegt dich immer.«
    Sie ließ den Kopf sinken. Ihre Augen ruhten auf mir. Sie schien mich zu verstehen. Ich nickte.
    »Du und ich«, wisperte ich. »Du und ich, Mädchen.«
    Du nutztest diesen Moment, in dem sie ruhig war, und kamst auf sie zu. Du strecktest die Hand aus, um ihr Gesicht zu packen. Du hattest eine Art Halfter dabei. Als sie dich sah, reckte sie den Kopf so weit in die Höhe, dass du ihn nicht erreichen konntest. Dieses Mal brüllte sie. Es klang mächtig und kehlig. Du legtest ihr die Hand auf den Hals und versuchtest, ihren Kopf herunterzuziehen.
    »Hallo, Mädchen«, murmeltest du. »Bist eine Schöne. Lass das bleiben.«
    Das Kamelstute fand das alles abscheulich. Sie brüllte und gurgelte und schwenkte den Kopf wie verrückt. Kurz schaute sie mich an und blinzelte mit ihren langen, wunderbaren Wimpern. Dann drehte sie sich zu dir und kotzte dir auf den Kopf.
     
     
    Es gibt nichts Widerlicheres ist als Kamelkotze. Dieses klebrige, klumpige grünbraune Zeug, das wie Hundescheiße, Abwasser und Pisse auf einmal riecht. Es ist das absolut Schlimmste, was ich in meinem ganzen Leben gerochen habe. Schlimmer als Dads Fürze. Schlimmer als Babykacke. Schlimmer als alles sonst. Und dein Kopf war voll von dem Zeug. Ich sah dir dabei zu, wie du es aus deinem Mund spucktest. Du wischtest es dir mit dem Handrücken aus dem Gesicht, schobst es dir mit den Fingern von den Augenlidern. Und dann hast du dich vorgebeugt, um selbst zu kotzen.
    Ich war ganz in deiner Nähe. Kaum hatte der Geruch mich erreicht, kapitulierte mein Magen. Ich kann nicht anders; sobald sich irgendwer übergibt, mache ich mit. Ich musste mich in den Sand hocken und den Kopf zwischen die Knie stecken, so schlimm war es. Und die Geräusche, die von dir kamen, machten es nicht besser. Ich kotzte Ewigkeiten, noch länger als du. Die Kamelstute hörte irgendwann auf zu brüllen. Wahrscheinlich war sie zufrieden mit sich und lachte uns aus, was ihr nun wirklich keiner verübeln konnte. Vielleicht war es aber auch nur der Moment, in dem sie alle Hoffnung aufgab, der Moment, in dem sie begriff, dass ihre Herde für immer verschwunden war und dass Schreien sinnlos geworden war.
    Ich rollte mich herum und lehnte mich an einen Baumstamm. Der ekelhafte Gestank von Kotze war überall. Die Fliegen hatten sich schon darüber hergemacht; unerbittlich surrten sie herum, ließen sich in die Kotze fallen

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