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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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glaubtest du, ich hätte es mir anders überlegt. Vielleicht träumtest du davon, dass ich ganz nah bei dir wäre, wenn du die Augen wieder aufmachtest, dass ich vielleicht sogar mein Gesicht an deines schmiegen würde. Du fuhrst dir sogar mit der Zunge über die trockenen, rissigen Lippen, um bereit zu sein.
    Ich drehte die Nadel zwischen Zeigefinger und Daumen. Ich hielt sie auf dich gerichtet, mit zitternder Hand. Trotzdem bewegte ich sie bis über dein Augenlid. Ich hörte auf zu atmen und versuchte die Nadel ganz ruhig zu halten. Dann bewegte ich sie nach unten, bis die Spitze deine empfindliche Haut berührte.
    Sofort versteifte sich dein Körper.
    »Keine Bewegung, sonst stech ich zu«, sagte ich. »Quer durch dein Auge bis in dein Gehirn.«
    »Was ist das?« Du runzeltest die Stirn. »Die Nadel aus der Nähmaschine, hab ich Recht?« Dann zuckten deine Mundwinkel und du begannst zu lachen. »Die Waffen einer Frau, was?«
    Ich stieß die Nadel in dein Augenlid, nicht besonders fest, aber doch weit genug, um dir klarzumachen, dass ich es ernst meinte … und du hörtest sofort auf zu lachen. Beim Zurückzucken knalltest du mit dem Kopf gegen den Baum.
    »Ich will die Autoschlüssel«, sagte ich. »Gib sie mir, dann verzichte ich drauf, noch fester zuzustoßen.«
    »Na klar, du willst weg von hier. Ich hatte gehofft, damit wären wir langsam durch.« Du hast geseufzt. »Lass mich mit dir kommen.«
    »Nein.«
    Vorsichtig hast du das andere Auge aufgemacht und bist meinem Blick begegnet. »Du wirst sterben da draußen, Gem. Lass mich mitkommen.«
    »Warum sollte ich dich mitnehmen? Ich will schließlich weg von dir.«
    Du sahst mich unverwandt an. Ich fragte mich, ob du wohl versuchen würdest, mir Angst einzujagen, ob du mir irgendwas Schlimmes androhen würdest, wenn ich nicht tat, was du wolltest. Ich hielt die Nadel weiter fest an dein Augenlid gedrückt.
    »Sag mir, wo die Bergwerkssiedlung ist.«
    »Glaub mir«, flüstertest du. »So funktioniert das nicht.«
    »Tut es wohl. Sag mir, wo sie ist, wo sind Menschen?«
    Mit der andern Hand tastete ich dein Hemd ab, durchsuchte die Brusttaschen. Dann machte ich bei deinen Shorts weiter. Du wehrtest dich nicht. Vielleicht gefiel es dir, dass ich an dir herumfummelte, oder vielleicht hattest du an diesem Tag einfach keine Kraft, dich herumzustreiten. Ich fand einen einzelnen Autoschlüssel im hintersten Winkel deiner Hosentasche, er lag auf deinem rechten Oberschenkel. Ich umklammerte ihn. Ich hatte keine Ahnung, wie es danach weiterging. Sollte ich die Nadel an deinem Auge lassen und dich zwingen, mit mir zum Auto zu gehen? Sollte ich richtig zustechen? Oder einfach losrennen?
    Am Ende klärtest du diese Frage für mich. Du fingst wieder an zu lachen, strecktest die Hand aus und packtest mich am Arm. Bevor ich begriff, was passierte, hattest du die Nadel schon von deinem Auge weggezogen. Du sahst mich an, jetzt mit beiden Augen, und hieltst meinen Arm fest umklammert.
    »Mach dich nicht lächerlich«, sagtest du unbewegt. »Wenn du unbedingt wegwillst, Gem, dann geh einfach. Schau, wie weit du kommst.«
     
     

Du hattest noch nicht ausgeredet, da war ich schon weg. Ich hielt den Schlüssel so fest umklammert, wie ich konnte, denn ich rechnete damit, dass du mir jeden Moment nachkommen und mich mit deinen starken Armen umwerfen würdest. Ich blickte nicht zurück. Ich rannte quer durch eine buschige Melde, deren stachelige Blätter meine Beine zerkratzten. Ein Zweig blieb an meinen Shorts hängen, aber ich lief einfach weiter; ich spürte ihn kaum. Ich sprang über einen kleinen Termitenhügel. Ich konnte das Auto schon sehen, es stand neben dem Malschuppen, die Motorhaube zeigte Richtung Wüste. Ich baute darauf, dass du irgendwas im Kofferraum gelassen hattest … Wasser, Proviant, Benzin. Ich raste durch die Öffnung, die zum Kamelgehege führte. Die Kamelstute stand auf und trottete auf mich zu. Aber ich rannte an ihr vorbei.
    »Tschüss, Mädchen«, keuchte ich. »Tut mir leid, ich kann dich nicht mitnehmen.«
    Sie lief ein paar Meter neben mir her, mit langen, schwingenden Schritten, die viel größer waren als meine. Ich hätte sie gern freigelassen, aber ich konnte nicht riskieren, Zeit zu verlieren.
    Ich kam zu dem Auto und stieß den Schlüssel ins Türschloss. Er ließ sich nicht drehen. Anscheinend war er verklemmt. Oder ich hatte den falschen erwischt. Ich rüttelte daran herum und hätte ihn fast abgebrochen. Dann erst begriff ich, dass die Tür

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