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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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nicht schlafen. Ich hatte mich mit zu vielen Fragen hingelegt. Kurz vor Sonnenaufgang hörte ich deine Stimme, ein Gemurmel einzelner Worte. Auf Zehenspitzen ging ich den Gang entlang und drückte mich horchend an deine Tür. Aber jetzt gabst du keinen Ton mehr von dir. Vielleicht hattest du geträumt.
     
     
    Ich fand dich in der Küche. Die Morgensonne strömte durchs Fenster und auf deine Haut. Du tunktest Lappen in eine Schüssel mit einer dunkelbraunen Paste, die nach Eukalyptus und Erde roch. Deine Hände waren verkrustet und geschwollen. Du hast einen der Lappen genommen und mich um Hilfe gebeten. Während ich ihn um dein Handgelenk wickelte, sahst du aus dem Fenster. Du wirktest ungeduldig.
    »Wird heiß heute«, sagtest du. »Mit ein bisschen Glück regnet’s sogar … wenn sich’s weiter so aufbaut.«
    »Wenn sich was aufbaut?«
    »Der Druck. Wenn die Luft so schwer wird wie jetzt, entlädt sie sich irgendwann. Sie kann gar nicht anders.«
    Ich hatte den steigenden Druck auch gespürt. In den letzten Tagen hatte sich die Luft angefühlt, als wäre sie lebendig; sie hielt sich an meinen Ohren fest, als wollte sie meinen Körper besetzen, sie bedrängte mich mit ihrer Hitze. Ob die Luft, überlegte ich manchmal, wohl genug Druck hatte, um mich den ganzen Weg bis nach Hause zu schieben? Vielleicht musste ich nur lange genug mit ausgebreiteten Armen dastehen und warten?
    Du hast deine Hand zurückgezogen und getestet, wie fest ich den Verband gemacht hatte.
    »Na gut«, sagtest du. Dann machtest du eine Schublade auf und kramtest darin herum.
    »Wie hast du das alles hierhergeschafft?«, fragte ich. »Das Holz und die Einrichtung?«
    Du zogst einen kleinen Metallclip heraus. »Ich hatte einen Lastwagen.«
    »Das war alles?«
    »Und Zeit.« Du gabst mir zu verstehen, dass ich den Verband um dein Handgelenk mit dem Clip verschließen sollte.
    »Was noch?« Ich zog an dem kleinen Elastikband, so dass sich die Häkchen an beiden Enden in den Verbandstoff gruben. Dann hielt ich dein Handgelenk weiter fest, bis du mich wieder ansahst.
    »Na gut«, meintest du seufzend. »Es gibt wirklich noch was … nicht allzu weit von hier. Die Überreste von einem alten Bergwerk. Da hab ich das Zeug gelagert, bis ich mit dem Bauen loslegen konnte. Das ist alles schon Jahre her. Ich hab gleich angefangen, nachdem ich die Idee hatte – lange bevor ich wusste, dass ich dich auch hierherbringen will.«
    »Können wir dahin?«, fragte ich rasch. »Zu dem Bergwerk?«
    »Da ist nichts weiter.«
    »Muss aber mehr sein als hier.«
    Du schütteltest den Kopf. »Die Landschaft dort ist missbraucht und ausgelaugt, da ist alles tot.«
    Ich wich zurück vor diesem Satz.
    »Ich mein das ernst, Gemma. Da ist nichts als ein großes Loch in der Erde, das alles verschlungen hat. Es ist widerlich.« Du öffnetest die Tür nach draußen. »Kommst du?«
    Ich schüttelte den Kopf. Deine Worte wühlten mich auf. Wenn ich irgendwie an deine Schlüssel kam, konnte ich diesen Ort, den du erwähnt hattest, vielleicht finden. Wo mal ein Bergwerk gewesen war, gab es auch Leute … irgendwas musste es dort geben. Zum millionsten Mal durchsuchte ich die Küche. Ich war mir inzwischen fast sicher, dass du den Autoschlüssel immer bei dir hattest.
    Ich ging in das Zimmer mit den Regalen. Dort ließ ich den Finger über die Buchrücken gleiten und zog ein paar Bände raus. Aber ich fand keine Landkarten und auch sonst nichts, was mir hätte zeigen können, wo ich war. Ich betrachtete ein Buch mit dem Titel Die Geschichte der Großen Sandwüste und blätterte ein paar Seiten mit Fotos durch; Aufnahmen unterschiedlichster Landschaften und auch Bilder von den Aborigines, die, wie ich von dir wusste, früher hier gelebt hatten. Ich berührte mit den Fingern ihre Gesichter und wünschte mir, sie wären nie von hier fortgegangen.
    Das nächste Buch, das ich herauszog, war ein Naturführer über die Pflanzenwelt Australiens. Da kam mir eine geniale Idee. Vielleicht konnte ich anhand der Vegetation hier in der Gegend herausfinden, wo ich war! Ich sah das Buch durch. Ein paar von den Pflanzen kamen mir bekannt vor, zum Beispiel in dem Kapitel über die verschiedenen Spinifex-Arten. Ich las eine Zeile: Spinifex trodia beherrscht die Vegetation und befindet sich auf über 20 Prozent der Fläche Australiens. Es kommt in allen Bundesstaaten außer Tasmanien vor. Na toll, dachte ich, ich konnte also überall sein … außer in Tasmanien.
    Ich machte den Schrank auf.

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